EHWS Jura, Etappe 3: Lucelle - La Caquerelle
Heute ging es ran an den Kettenjura: Von Lucelle wollten wir hinauf auf die erste Kette, die bis zu 1‘000 Meter Höhe erreicht und sich deutlich über das zuletzt durchwanderte Vorland erhebt. Ich kannte die Strecke: Ich bin sie vor fast zehn Jahren auf der Fernwanderung Bern – Amsterdam gegangen – wenn auch in der Gegenrichtung, also abwärts. Nun freute ich mich aufs Wiedersehen. Bei herrlichem Frühsommerwetter und besten Prognosen machten wir uns auf die Socken.
Schneller Gewinn an Überblick
Es war heisser als gestern; wir waren deshalb froh, dass wir schon nach wenigen Schritten über den durchs Uferschilf führenden Holzsteg in den Wald eintauchen konnten. Nach Überquerung der Strasse nach Delémont wurde es sofort steil. Entsprechend schnell gewannen wir an Höhe und an Überblick. Zu unserer Rechten wölbte sich eine Wiesenmulde zwischen uns und einen parallel verlaufenden Rücken hinein. Sie hiess Noirval – wie das Motel, in dem wir genächtigt hatten – und liess eines von mehreren Quellbächlein der Lucelle bzw. Lützel zum Weiher hinunter rinnen. Die kontinentale Wasserscheide verlief somit jenseits von ihr über den erwähnten Rücken. Einen Weg, der ihr durchgängig folgte, konnte ich auf der Karte nicht ausmachen, weshalb ich den direkteren und mir bekannten Weg über den Ziegelkopf gewählt habe. Gut möglich, dass das Gelände dort drüben schlicht nicht begehbar war: Der Rücken entwickelte sich nach Westen hin, wo er Les Aidjolats hiess, zum zähnefletschenden Grat! In der Morgensonne leuchteten uns kantige Felsflühe entgegen.
Schon bald sahen wir indes über sie hinweg in die Weite der Burgundischen Pforte hinaus. Wir erreichten eine erste Steilstufe, eine Nase (vermutlich der Ziegelkopf), über die wir horizontal auf den Haupthang zugingen. Dort trafen wir auf einen von Les Aidjolats herüber führenden Verbindungsgrat, der die Noirval-Mulde und damit das Einzugsgebiet der Lützel nach Westen hin abrundet. Von nun an stiegen wir zusammen mit der Wasserscheide einer Kante entlang aufwärts, wieder sehr steil, aber gnädigerweise immer noch im Schutz des Waldes. Nach gut eineinhalb Stunden eine erste Belohnung: Von der Grande Roche, einem Felsvorsprung, geniessen wir eine eindrückliche Aussicht in die zerfurchte Nordflanke der Bergkette, auf die Passtrasse von Les Rangiers und weit über die Ebene zu den Vogesen hinüber. Durchs Fernglas erkennen wir am Bischofspalast das Städtchen Porrentruy. Auch Teile unserer Wanderung von gestern überblicken wir: den Weg ob Charmoille zu dem bewaldeten Rücken mit dem verborgenen Roc au Corbeau hinauf, und im Nordosten auch einen Teil des Wiesenplateaus von Les Ebourbettes.
Lucelle - La Caquerelle | |
Etappe | EHWS Jura, Nr. 3 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 9 km / 3h05' |
Auf- / Abwärts | 465 m / 235 m |
Höchster Punkt | 996 m (Les Ordons) |
Tiefster Punkt | 599 m (Etang de Lucelle) |
Fernwanderwege | --- |
Durchgeführt | Freitag, 26. Mai 2017 |
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Es folgen weitere Steilstufen. Teils geht es weiterhin im Wald der Kante entlang, die zur Ajoie hin felsig und steil abfällt; teils aber auch etwas unterhalb der Kante auf der weniger vertikalen Lucelle-Seite. Hier weicht der Wald immer öfter Wiesen, wo uns die pralle Sonne nicht mehr erspart bleibt. Ausblicke nach Nordosten hin, über endlose Hügel mit allen denkbaren Grünschattierungen, entschädigen dafür. Wo keine Kühe weiden, liegt frisch gemähtes Gras und lässt uns riechen, wie es gerade eben zu Heu wird. In der Nähe eines Hofs namens Plainbois lassen wir uns am Rand einer Blumenwiese nieder, wir verpflegen uns und dösen im Gras.
Ein Meer aus Jura-Wellen
Nochmals eine Dreiviertelstunde Steilhang, dann ist mit knapp 1‘000 Metern der höchste Punkt des Tages geschafft. Direkt neben dem Sendeturm treten wir aus dem Wald auf die Wiese von Les Ordons hinaus. Wir stehen nun auf dem Rücken der Lorimont-Mont-Terri-Kette , der längsten Jurakette überhaupt, und überblicken ein Meer von dunkel- und hellgrünen Jura-Wellen. Zwischen sie hineingebettet liegt zu unsern Füssen das Delsberger Becken. Im Norden bilden Vogesen und Schwarzwald den Horizont, davor erkennen wir in der Tiefe die Stadt Basel mit ihrem Wahrzeichen, dem Turm des Pharma-Konzerns Roche. Im Süden recken sich sogar ein paar Alpengipfel über die dunklen Jura-Rücken hinaus, wie kleine weisse Höcker scheinen sie auf diesen zu sitzen. Noch etwas weiter südlich ragt der Sendeturm des Chasseral in den Himmel. Leider ist ein Bauer gerade daran, mit einem effizienten, jedoch sehr geräuschvollen Gefährt die gesamte riesige Wiese zu mähen, die sich ostwärts der Länge nach über den sanft abwärts geneigten Rücken erstreckt. Wir verzichten deshalb auf ein längeres Verweilen und ziehen bald weiter.
Die EHWS biegt hier mit dem Grat nach Südwesten, dann für ein kurzes Stück sogar nach Westen ab. Wir schneiden ihren Bogen durch ein kurzes Waldstück unterhalb der Krete auf der Ajoie-Rhone-Seite ab, dann sehen wir auf einem etwas tiefer gelegenen Sattel schon das Hotel von La Caquerelle vor uns liegen, unser Tagesziel. An einer Hütte der Jura-Sektion des Schweizerischen Alpenclubs vorbei steigen wir zur Passhöhe von Les Rangiers hinunter. Einst die wichtigste Strassenverbindung zwischen der Ajoie und der restlichen Schweiz, hat sie seit der Untertunnelung durch die Autobahn nur noch lokale und touristische Funktion. Der Zustand des Hotels am Passübergang zeugt von diesem Wandel: Es ist geschlossen und bietet sich zur Vermietung an. Zum Sattel von La Caquerelle ist es nun nur noch eine Viertelstunde; auf einem Strässchen trotten wir ihm einem Hang entlang entgegen, dabei die Abzweigung des Wanderwegs ins Delsberger Becken hinunter passierend, auf dem ich vor zehn Jahren heraufgestiegen bin. Es ist erst halb Vier, als wir beim Hotel ankommen. Wir haben Zeit genug, um auszuruhen (wir finden, dass wir das durchaus verdient haben) und die Gegend zu erkunden.
Offen nach allen Seiten - und für alle Winde
Weit schweift der Blick nach allen Seiten und kann die hier besonders komplexe Struktur von Tälern und Falten studieren. Der Sattel bildet nicht nur den Übergang zwischen Ajoie einerseits und Freibergen und Delsberger Becken andererseits, sondern auch zwischen dem letzteren und dem tief eingeschnittenen Tal des Doubs; am gegenüberliegenden Hang sehen wir die Serpentinen der Strasse, die nach Saint-Ursanne hinunter klettert. Nicht weniger als drei Ketten verzweigen sich in diesem Gebiet auseinander: Die Lomont-Mont-Terri-Kette haben wir bei Les Rangiers bereits wieder verlassen; hier bei La Caquerelle befinden wir uns am Beginn der St-Brais-Mont-Russelin-Kette, über die wir morgen in die Freiberge gelangen wollen. Vor uns nach Westen hin fällt das Gelände steil zum Doubs hinab, dessen Canyon hier eine haarnadelähnliche Schlaufe beschreibt. Gegenüber, im Innern der Schlaufe, erhebt sich als dritte Kette der Clos du Doubs.
Dass die nach allen Seiten hin offene Lage des Ortes auch eine Kehrseite hat, erfahren wir von der Wirtin: Nicht oft könne man hier abends draussen sitzen, meistens sei es zu windig. Heute aber haben wir Glück: Wir geniessen das (übrigens ausgezeichnete) Nachtessen unter Bäumen und sehen gemütlich zu, wie die Sonne über dem Clos du Doubs unter geht und die Schatten zu den Talrändern herauf kriechen.
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