EHWS Andalusien, Etappe 13: Arriate - Cuevas del Becerro (Cortijo Nuevo)
Heute Morgen konnte ich mich nicht lange vor der Sonne verbergen; dafür wurde die Hitze immer wieder durch auffrischende Winde gemildert. Anders als gestern war auch, dass es fast immer geradeaus ging: zwischen langgezogenen felsigen Bergrücken hindurch, bis der Blick sich weitete und die Ebenen nördlich der Kordillere sichtbar wurden.
Mein Hotelzimmer in Arriate ging nach Westen hinaus; mein erster Blick am Morgen fiel auf die Kämme der Sierra de las Salinas, auf oder hinter denen ich die Hauptwasserscheide vermutete. Im Lauf des Tages sollte ich mich dann immer weiter von meinem Forschungsobjekt entfernen: Denn während die EHWS zu einem Bogen nach Norden ansetzte, wandte sich der GR7 hier direkt nach Nordost.
Im Fernsehen wurden sommerliche Temperaturen angekündigt. Ich wollte deshalb früh aufbrechen. Zum Frühstücken ging ich in eine Churrería um die Ecke, denn im Hotel gab es vor neun Uhr nichts. Die Receptionistin fand das weise; so könne ich schon weit kommen, bevor es heiss werde, ich sei doch sicher auf dem GR7 unterwegs? – Dass dem tatsächlich so war, bekam ich kurz vor dem Verlassen des Ortes dann endlich auch physisch bestätigt: Ein verwitterter und windschiefer GR7/E4-Wegweiser verkündete hier, dass es 8 h 30 bis Serrato sei. Ganz so weit gedachte ich heute nicht zu gehen; in Serrato gab es keine Unterkunftsmöglichkeiten, stattdessen hatte ich eine Wohnung auf einem Bauernhof hinter Cuevas del Becerro gebucht, etwa eine Stunde weniger weit.
Der Morgensonne entgegen wandernd, erreichte ich bald ein Plateau etwa auf der Höhe von Ronda. Olivenhaine und niedrige Einzelbauten säumten meinen Weg. Beim Ort Parchite stiess ich wieder auf die Bahnlinie von gestern; sie hatte inzwischen die Höhenstufe zwischen dem Guadiaro-Tal und der Hochebene überwunden und sich nach einer weiteren Schlaufe bei Ronda wieder nach Norden zurückgewendet, um hier in einer langen Geraden über das Plateau davonzustreben. Für ihre Überquerung benötigte ich eine satte Viertelstunde; nicht etwa, weil es schwierige Hindernisse zu überwinden galt, sondern weil – schon wieder! – fehlende Wegmarken und ein mit einer Kette abgesperrter Bahnübergang mich zu vergeblichem Suchen entlang der Geleise verleiteten.
Arriate - Cuevas del Becerro (Cortijo Nuevo) |
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Etappe | EHWS Andalusien, Nr. 13 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 21,7 km / 6h15' |
Auf- / Abwärts | 380 m / 270 m |
Höchster Punkt | 895 m (Puerto del Saltillo) |
Tiefster Punkt | 590 m (Arroyo de la Ventilla) |
Fernwanderwege | E4 (GR7) |
Durchgeführt | Donnerstag, 5. Oktober 2017 |
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Der Übergang erwies sich letzten Endes aber als der richtige: Die Kette war für Fussgänger problemlos zu umgehen, und der Weg endete nicht wie angenommen bei dem Haus gegenüber, sondern setzte sich auf dessen Rückseite fort – und zwar exakt in der gleichen Richtung, in der ich gekommen war.
Richtungsänderungen gab es heute ohnehin nur wenige, solange ich denn nicht vom Weg abkam. Die nächste ergab sich nach etwa zwei Kilometern bei der Strasse A-367. Dieser war über eine längere Strecke zu folgen; zum Glück gab es einen schönen, sandigen Fusspfad, der parallel zur Strasse, aber durch Bäume und Gebüsch von ihr getrennt verlief. Mässig, aber stetig stieg er an, die Landschaft wurde allmählich rauer und steiniger, felsige Hügelrücken bildeten zunehmend die Kulisse. Erst nach mehreren Kilometern und dem Passieren eines hinter einer Mauer verborgenen Autorenn-Circuits war der Fusspfad zu Ende, ein Stück Asphaltwandern liess sich nicht länger vermeiden. Aber der Verkehr war zum Glück mässig, ein frischer Wind dämpfte die inzwischen mittägliche Hitze, und nach drei Kilometern war es auch schon geschafft: Auf einer Passhöhe, dem 885 Meter hohen Puerto del Saltillo, konnte ich der Strasse Adieu sagen. Während diese in ein Tal hinunter kurvte, ging ich weiter geradeaus und gelangte auf eine Sand- und Schotterpiste, eine «Cañada Real» – so heissen Wege, die einst dem Viehtrieb dienten und sich oft über Hunderte von Kilometern durch Spanien ziehen.
Regionale Wasserscheide
Der Pass bildet einen Übergang über die Kordillere und zugleich eine regionale Wasserscheide: Ich verliess hier das Einzugsgebiet des Mittelmeer-Flusses Guadiaro und betrat dasjenige des Guadalteba, der sein Wasser via Guadalhorce ebenfalls zum Mittelmeer hin schickt. Die Cañada führte auf gleicher Höhe der Flanke des eben überquerten Bergrückens entlang. Zu meiner Linken weitete sich der Blick allmählich und senkte sich zu einer in dunstige Ferne entschwindenden Ebene hinab. Vom Talboden schimmerte Cuevas del Becerro herauf, ein weisses Dorf an der A-367. Erst jetzt vollzog ich wieder eine Richtungsänderung, aber nur weil ich es wollte: Auf der Cañada würde ich zwar in kurzer Zeit den Cortijo Nuevo erreichen – mein Tagesziel – , wo es aber keine Mahlzeiten gab. Deshalb entschied ich mich für einen Umweg über Cuevas und nahm eine entsprechende Abzweigung.
Überraschende Begegnung
Im Dorf unten war die Hitze wuchtiger, der Wind liess sich nicht so weit herab. Es herrschte die hier typische Nachmittagsruhe; ich ging durch nahezu leere weisse Gässchen, möglichst den Schattenseiten entlang. Die wenigen Läden und Gastronomiebetriebe hatten entweder geschlossen oder boten nur Getränke an. Etwa eine halbe Stunde lang irrte ich herum. Dann eine Überraschung: Plötzlich höre ich von hinten eine weibliche Stimme rufen: „Señor Richard?“ – Es ist die Bäuerin vom Cortijo Nuevo, die hier gerade mit dem Auto vorbeikommt! Sie fordert mich zum Einsteigen auf, aber ich lehne mit Verweis auf mein Ernährungsbedürfnis dankend ab. Da winkt sie kurzerhand ein anderes Auto herbei und bittet den Fahrer, mich zu einem Restaurant zu bringen. Ich soll ihr nach dem Essen anrufen, dann komme sie mich holen.
Wandern ohne Gepäck
Und ehe ich also wusste, wie mir geschah, sass ich in der fast leeren Bar Alfredo und genoss eine einfache Mahlzeit und ein kühles Bier. Hernach fühlte ich mich so fit und leicht, dass ich Lust hatte, die drei verbleibenden Kilometer zu gehen – zumal mich die Bäuerin vom Rucksack befreit hatte. Auf den Anruf verzichtend, verliess ich das Dorf durch seinen unteren Ausgang, auf einem schmalen Fahrsträsschen. Dieses durchquerte eine Senke und stieg dann wieder sanft am Berghang der Sierra de la Cueva hinan, Äcker und Höfe passierend. Wie beschwingt es sich doch wanderte, so ganz ohne Gepäck und Sorgen! Nach etwa einer halben Stunde gelangte ich wieder auf die Cañada real und den GR7, und wenig später hatte ich auch schon meine Unterkunft erreicht: Etwa hundert Meter oberhalb eines an der Cañada liegenden Bauernhofs schmiegten sich vier kleine, farbige Häuschen an den Hang und bildeten den Cortijo Nuevo. Ich traf ihn verlassen an. Als ich der Bäuerin anrief, sah ich sie unten aus dem Bauernhaus treten. Sogleich brachte sie mir mit dem Auto den Rucksack herauf und wies mir eines der Häuschen zu. Ich war heute – ganz anders als am bevorstehenden Wochenende, dann sei alles ausgebucht – der einzige Gast und hatte die ganze Anlage für mich allein.
Balkon mit Sonnenuntergang
Ich liess mich nicht bitten. Es war ein liebevoll gestalteter, parkähnlicher Garten, der sich hangabwärts ausbreitete, mit schönen hohen Zypressen, Rasen, Blumenrabatten, Skulpturen und zuunterst einem Swimmingpool. In diesem kühlte ich mich ab, um anschliessend im Liegestuhl die nun angenehme Abendsonne zu geniessen. Es war ein wunderbarer Ort: Wie ein Balkon klebte er am Hang unter dem felsigen Kamm der Sierra de la Cueva und sah auf den Hof hinunter und über das breite Tal zu der rötlich in der Ferne schimmernden Ebene hin. Diese Weite! Und während ich zur Linken – dort, wo ich herkam – der Sonne beim Untergehen zusah, stieg am Horizont zur Rechten die fast runde Mondscheibe herauf: Ein perfekter Abschluss eines überraschend feinen Wandertages.
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