EHWS Andalusien, Etappe 15: Ardales - El Chorro
Diese Wanderung war von einem ganz andern Charakter als die vorangegangenen: Der Tag begann mit Wolken, die sich um die Berggipfel legten, und der Weg führte in wechselndem Auf und Ab durch eine licht bewaldete Hügellandschaft. Immer näher rückten dabei die mächtigen Felswände und -kanten des Massivs um die Gaitanes-Schlucht und die Sierra de Huma. Während sich Touristenmassen auf dem Königspfad durch die Schlucht zwängen, gehe ich abseits und quer zu dieser.
Wie am Vorabend mit dem Taxifahrer vereinbart, der mich hergebracht hatte, holte er mich am Morgen auch wieder beim Hotel ab und brachte mich zum GR7 zurück. Er kannte den Fernwander-weg, er hatte Teile davon mit dem Bike abgefahren. So konnte ich mich von ihm zielgenau zum günstigsten Ausgangspunkt für meine nächste Etappe fahren lassen: Er setzte mich nordöstlich des Stadtrands von Ardales unter einem Viadukt der Fernstrasse A-357 ab. Ich verzichtete somit auf die Rückkehr ins Zentrum von Ardales und liess eine Lücke von rund einem halben Kilometer GR7 unerwandert liegen.
Stilles Land, laute Überflieger
Auf einem Betonsträsschen ging es sogleich steil aufwärts. Das Wetter war nicht nur wolkiger als zuletzt, es wehte auch ein kräftiger Wind – kurz: Es war weniger strahlend, aber bedeutend angenehmer! Ich erreichte eine Schulter, dann führte der Weg auf etwa gleicher Höhe in die Ausläufer der Sierra Blanquilla hinein: Unzählige runde und kegelförmige Hügel mit Pinien und andern Bäumen prägten die Gegend. Mal stieg man in ein Tal hinunter, dann wieder aufwärts. Bei einer Brücke über ein ausgetrocknetes Bachbett (wohl der Arroyo de Granado) warnte ein Schild vor (im Moment schwer vorstellbaren) Überschwemmungen; wo er sich in der Höhe hielt, schmiegte sich der breite Weg mal rechts, mal links an einen Hang, mal führte er über Verbindungskämme und bot nach beiden Seiten hin Fernsichten. Da und dort lehnten sich einzelne Häuser und Höfe an die Hänge oder besetzten Aussichtspunkte.
Ardales - El Chorro |
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Etappe | EHWS Andalusien, Nr. 15 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 15,2 km / 5h25' |
Auf- / Abwärts | 401 m / 580 m |
Höchster Punkt | 572 m (Embalse Superior) |
Tiefster Punkt | 183 m (Staumauer El Chorro) |
Fernwanderwege | E4 (GR7) |
Durchgeführt | Samstag, 7. Oktober 2017 |
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Da es Wochenende war, begegnete ich unterwegs mehr Leuten als sonst – hauptsächlich Biker, dann und wann aber auch Wanderer. Ansonsten wirkte die Landschaft abgeschieden. Sie hatte etwas Raues und unter den Wolken auch etwas Abweisendes; doch wenn die Sonne sie beschien – und das war im Lauf des Tages zunehmend der Fall – , empfand ich sie fast als lieblich. Eigentlich wäre es wohl ein stilles Land, so schien mir – wenn da nur nicht die Anflugschneise des Flughafens Málaga – Costa del Sol wäre, von der es in nur geringer Höhe überquert wurde! Alle paar Minuten dröhnte ein Flugzeug über den Kopf hinweg (vermutlich war ich vor einigen Tagen selbst an Bord eines solchen gewesen).
Um den Mittag herum lösten sich die Wolken allmählich auf, aber heute liess sich immer wieder Schatten finden. Für eine längere Rast liess ich mich am Rand eines Pinienwäldchens nieder; herrlich, wie der Wind in den Wipfeln rauschte! Kurz darauf erreichte ich eine schmale Strasse, die sich kurvenreich aus einem der Täler heraufwand; ihr spärlicher Verkehr war der erste seit dem Start vor etwa vier Stunden. Auf dem kurzen Stück, das der GR7 ihr folgte, kam ich an der Ausgrabungsstätte Bobastro vorbei: Ruinen eines Dorfes, das gegen Ende des neunten Jahrhunderts einem Rebellen gegen das Kalifat von Córdoba als Zufluchtsstätte gedient hatte. In einer Serpentine weiter oben zweigte der Weg wieder von der Strasse ab und stieg durch den Wald zu einer Staumauer hinauf. Diese fasste ein grosses Rückhaltebecken ein, das sich über die gesamte Kuppe des Hügels ausdehnte.
Schluchtengänger unter Geiern
Der Mauer entlang ging es um den See herum, dann wurde es plötzlich spektakulär: Durch die Bäume hindurch sah ich frontal in die massigen, weissgrauen bis gelblich oder rötlich schimmernden Felswände der Sierra de Huma hinein! Bei einem Aussichtspunkt bot sich ein atemberaubender Blick in die tiefe, vom Guadalhorce-Fluss quer durchs Gebirge gesägte Schlucht (die «Desfiladero de los gaitanes») , und hoch über dieser kreisten ganze Schwärme von Raubvögeln am Himmel, dem Namen der Schlucht entsprechend vermutlich Bartgeier («gaitanes»). Weit unten an der gegenüberliegenden Felswand sah man ein Viadukt der Bahnlinie Málaga – Córdoba und ein Tunnelportal, durch das sie im Berg verschwand. Und ja: Auch ein Stück des «Caminito del Rey» war zu erkennen: Durchs Fernglas konnte ich gut die Touristen beobachten, die sich über die hölzernen, hoch über dem Wasser an die senkrechten Felsen gehängten Stege des einst von einem König eingeweihten Pfads fortbewegten! Trotz Zutrittsregulierung schien mir der Andrang von hier oben beachtlich – welch ein Unterschied zu den Wegen, auf denen ich selbst wandelte!
Im Augenblick setzte sich mein Weg, jetzt in südlicher Richtung parallel zur Schlucht, der Staumauer entlang fort. Nachdem ich diese zu etwa zwei Dritteln umrundet hatte, sah ich mein Tagesziel in der Tiefe liegen: die am unteren Ausgang der Schlucht über dem gestauten Guadalhorce am gegenüberliegenden Hang klebenden Häuser von El Chorro. Gleich dahinter zog sich ein breiter Pinienwald hoch den Hang hinauf, wie ein tiefgrünes Band in einer Schneise zwischen aufragenden Felswänden: Dort hinauf sollte es morgen gehen. Hier und jetzt begann jedoch der Abstieg, und das war sportlich die grösste Herausforderung des Tages: Denn er führte über einen steilen, rutschigen und schlecht unterhaltenen Pfad rund 400 Meter abwärts. Es forderte einige Kraft und Konzentration, Misstritte zu vermeiden. Unten angekommen, ging es auf einer Uferstrasse zur Brücke, die über das Wehr zur andern Seite des Stausees hinüberführte. Einige Meter über diesem thronten das klotzige Hotel La Garganta und der Bahnhof «El Chorro / Caminito del Rey». Um vier Uhr hatte ich mein Ziel erreicht – früh genug, um mich im belebten Hotelrestaurant in aller Ruhe bei einer kühlen Gazpacho-Suppe und einer Ibérico-Platte zu erholen und auf meinen Bus zu warten.
Zum Abschluss durchs Festgewühl
Denn wie schon am Vortag musste ich zum Übernachten den GR7 verlassen und ein Transportmittel benutzen. Zwar gab es in El Chorro gleich mehrere Unterkünfte – darunter das genannte Hotel – , aber sie waren am Wochenende allesamt ausgebucht, denn sowohl die Berge als auch die Schlucht mit dem Caminito waren äusserst beliebt. Deshalb hatte ich ein Zimmer in Álora reserviert, einer Stadt auf dem Weg nach Málaga. Erreichbar war es per Bus, freilich nur wenige Male am Tag.
Nach einer halbstündigen Fahrt durch das breite Guadalhorce-Tal kam ich dort an. Bis zu meinem Gasthaus erwartete mich aber noch ein fast halbstündiger Fussmarsch durch das langgezogene und sehr belebte Städtchen. Im Zentrum war gar ein Fest im Gange, es spielten Bands und Gitarrenkappellen, es wurde getrunken, getanzt und gelacht, mit meinem Trekkingrucksack war fast kein Durchkommen. Ein lauer Samstagabend in einer andalusischen Kleinstadt: Es gibt fürwahr freudlosere Arten, einen Wandertag ausklingen zu lassen.
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