EHWS Jura, Etappe 10: Les Coeudres (Est) - Le Prévoux
Auf dem Grand Sommartel wendet sich die kontinentale Wasserscheide abrupt nach Nordwesten, von der «rheinischen» Talmulde von La Brévine zu einer benachbarten Jurakette abgedrängt. Entsprechend verlief auch unsere Route hier wieder einmal quer zur Jurafaltung. Über den Sommartel stiegen wir hinüber, einige niedrigere Hügel streiften wir auf der anschliessenden Flachwanderung – alle umgeben von moorigen Hochtälern ohne oberirdische Abflüsse.
Bei sonnigem Sommerwetter kehrten wir mit der Schmalspurbahn ins Vallée de La Sagne zurück. Dieses wird – im Unterschied etwa zu den Freibergen oder zum Becken von La Chaux-de-Fonds – zwar von einem oberirdischen Gewässer durchflossen, doch das Flüsschen («Bied» oder auch «Grand Bied» genannt) versickert und schickt sein Wasser durch den karstigen Untergrund ins tiefer gelegene Val de Travers hinunter, von wo es – genau wie jenes aus dem Lac des Taillères im weiter westlich gelegenen Hochtal von La Brévine – zum Neuenburgersee und somit ins Aare-Rhein-System hinein fliesst.
Es versprach ein heisser Tag zu werden; deshalb wollten wir den Wiederaufstieg auf die Communal-Sommartel-Kette möglichst früh in Angriff nehmen und waren schon am Vorabend nach La Chaux-de-Fonds angereist. Weil wir zudem eine Zweitagewanderung im Sinn hatten und das anvisierte Zielgebiet beim Lac des Taillères sonntags nur spärlich durch öffentlichen Verkehr bedient wird, hatten wir vorsorglich unser Auto bei dem Moorsee stationiert.
Les Coeudres (Est) - Le Prévoux |
|
Etappe | EHWS Jura, Nr. 10 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 11,2 km / 3h10' |
Auf- / Abwärts | 360 m / 240 m |
Höchster Punkt | 1'310 m (bei Grand Sommartel) |
Tiefster Punkt | 1'011 m (Les Coeudres Est) |
Fernwanderwege | --- |
Durchgeführt | Samstag, 30. Juni 2018 |
Weitere Facts & Figures | |
Vorige Etappe | Nächste Etappe |
Kaffeepause mit Alpenblick
Wir starteten bei Coeudres Est, eine Haltestelle vor dem Endpunkt unserer letzten Etappe. Grund dafür war eine Viehweide, die dort ohne Rücksicht auf Wanderer angelegt war und diese zwang – wir hatten es erlebt – , unter Elektrozäunen durchzukriechen. Als Alternative bot sich ein Strässchen an, das kurz nach Coeudres Est hangwärts von der Hauptstrasse abzweigte. Dieses schlugen wir ein. Sogleich gerieten wir ins Schwitzen, doch schon bald tauchten wir oberhalb der wanderfeindlichen Weide in den Wald ein.
Steil, aber beschattet ging es auf dem gleichen Weg aufwärts, auf dem wir vor Monatsfrist heruntergestiegen waren. Nach einer guten Stunde hatten wir die Höhe beim Ferienhaus «Les Balkans» wieder erreicht und begannen mit der Fortsetzung der damals hier unterbrochenen Kretenwanderung. Auf einem nur noch sanft ansteigenden Strässchen gelangten wir in wenigen Minuten auf die Krete und damit zur Wasserscheide und der Auberge du Grand Sommartel hinauf. Auf deren Aussichtsterrasse gönnten wir uns eine Kaffeepause. Die Sicht nach Süden hin verlor sich im Dunst, aber mit dem Fernglas liessen sich darin die Silhouetten etlicher Alpengipfel erspähen.
Zweigipfliger Sommartel
Der Name «Sommartel» setzt sich gemäss Wikipedia aus dem altfranzösischen «som» für «Gipfel» und dem lokalen Dialektausdruck «martel» für «Moor» zusammen – letzteres wohl ein Hinweis auf die in der Gegend verbreitete Art der Bodenbeschaffenheit hin. Zu dem 1337 Meter hohen Gipfel, dem höchsten Punkt der Kette, ging es über eine Jurahochweide weiter – zunächst auf flachem Weg auf der Süd-, und dann, nach Überquerung eines Sattels und der EHWS, wieder ansteigend auf der Nordseite der Krete. Grossblättrige Pflanzen mit gelben Blumen auf langen Stängeln säumten beidseits den Weg; ich identifizierte sie mit Hilfe einer Bestimm-App als Gelben Enzian.
Genau genommen besteht der Sommartel aus zwei Gipfeln, nämlich dem durch eine Mobilfunkantenne erkennbaren «Grand» und dem unscheinbareren «Petit» Sommartel. Es ist auf dem Grand Sommartel, wo die EHWS den Grat verlässt und sich scharf nach Nordwesten wendet, um zu dem anschliessenden Zwischenplateau hinunter zu fallen; dennoch bestiegen wir diesen Gipfel aber nicht ganz, sondern folgten dem Weg durch den Hang um ihn herum und steuerten direkt den Petit Sommartel an. Dieser lag zwar nicht mehr auf der EHWS, bot uns aber eine eindrückliche Weitsicht: nach Süden zum Felskessel des Creux du Van und zum Chasseron hin, nach Westen über die Ketten und Hochtäler des Neuenburger Juras und nach Norden über die Plateaus der Franche Comté – eine berührend ruhige und scheinbar endlose Landschaft, ein Wechselspiel aus allen erdenklichen Grün-Schattierungen. Einzig der Gelbe Enzian vor unseren Füssen setzte andere Farbakzente.
Bei dem nach dem kleinen Martel benannten Gasthaus verliessen wir die Bergkette und zweigten mit einer Spitzkehre nach rechts auf den Wanderweg nach Le Locle ab. Auf diesem gingen wir praktisch in entgegengesetzter Richtung durch die Nordflanke und unmerklich über die EHWS zurück, zum zweiten Mal unter der Antenne des Grand Sommartel durch – jetzt freilich einige Dutzend Höhenmeter weiter unten. Später senkte sich der Weg weiter in den Wald hinab. Bei einem Skilift verliessen wir ihn und zweigten scharf nach links auf einen unmarkierten Forstweg ab. In einigen Zickzackkehren gelangten wir zu dem praktisch baumlosen und – der Flurname verrät es – moorigen Plateau von Pied du Martel hinunter, einem Übergang zwischen dem Hochtal von La Brévine und dem Kessel von Le Locle.
Quer und unmarkiert
Bis zum Tagesziel gingen wir nun fast ausschliesslich auf nicht als Wanderweg markierten Wegen, quer zur Hauptrichtung der Jurafaltung. Einige hundert Meter folgten wir der Strasse; kurz nach der Bushaltestelle «Haut du Quartier» verliessen wir sie aber wieder nach rechts auf einem als Radweg gekennzeichneten Strässchen. Auf diesem schritten wir in der Mittagshitze geradlinig durch eine flache Mulde zwischen sanften Hügeln; über jene zur Linken – sie hiessen etwa Le Signal, Petit Calirou und Grand Calirou – verlief die EHWS, wir blieben für den Rest des Tages auf deren Doubs-Rhône-Seite. Später führte uns ein Graspfad durch flache, parkähnliche, von Waldpartien flankierte Jurawiesen, der sich im Hintergrund abzeichnenden Larmont-Kette entgegen. Auf einer baumstrunkbestandenen, von Trockensteinmauern umgebenen Lichtung hinter dem Hof Rez des Sauges liessen wir uns zur Mittagsrast nieder.
Als wir eine Stunde später zum letzten kurzen Teilstück aufbrachen, hatten sich Wolken vor die Sonne geschoben, das Licht war nur noch gedämpft. Beim ersten Haus der Streusiedlung Le Crozot schwenkten wir auf einen Fahrweg ein, dem wir sanft abwärts nach Westen folgten. Eine kleine Geländeschwelle war noch zu überwinden, und nach einer Biegung näherten wir uns auch schon unserem Etappenort Le Prévoux am Fuss der Larmont-Kette. Ich erkannte das Hotel wieder, ich war hier vor mehr als zwei Jahrzehnten schon einmal vorbeigewandert, vom Doubs heraufsteigend in Richtung La Brévine ziehend. Der kleine, von Wald umgebene Weiler an der schweizerisch-französischen Grenze liegt exakt auf der Geländekante im Westen von Le Locle; direkt hinter dem Hotel und der angrenzenden Zollstation beginnt die Strasse sich in den Talkessel hinunter zu senken, der sich durch einen Tunnel zum Doubs hin entwässert.
Schlemmen als Trost
Weil Ruth zunehmend unter Fussschmerzen litt, die auch am Abend nicht abklangen, beschlossen wir, auf den zweiten Wandertag zu verzichten. Für die Enttäuschung entschädigten wir uns mit einem Gourmet- Essen in dem vorzüglichen Restaurant des Hotels – das «Menu du saveur – surprise du chef» war ein köstlicher Fünfgänger voller feiner Überraschungen. Kaum zu glauben, dass wir an einem lauen Sommerabend wie diesem die einzigen Gäste hier waren! Mit einer der wenigen sonntäglichen Busverbindungen fuhren wir am nächsten Morgen zu unserem Auto am Lac des Taillères zurück. Es stand dort seit Freitagabend im Moor – nutzlos, wie wir jetzt wussten.
Bilder-Galerie
Starte die Dia-Show oder klicke dich durch (zum Vergrössern klicke zuerst auf das Kreuz in der Mitte).