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Grenzsteine und Geheimpfade

EHWS Jura, Etappe 12: Vieux Châteleu (F) - Les Verrières (CH)

Bei Charopey, Blick zurück zum Mont Châtelau.
Bei Charopey, Blick zurück zum Mont Châtelau.

Das Wetter war weniger sonnig als am Vortag, wir brachen unter teilweise bedecktem Himmel von Vieux Châteleu auf. Um der EHWS möglichst nahe zu bleiben, schusterten wir uns eine Route aus Stücken zusammen, die nicht dafür gedacht, aber teilweise einst zum Schmuggeln genutzt worden waren. Zunächst folgten wir wieder wie am Morgen des Vortages den Grenzsteinen, später aber auch unmarkierten Pfaden. Ausser ein paar Wildschweinen begegneten wir den ganzen Tag kaum jemandem.

Die Übernachtung in der schlichten Auberge war vielleicht nicht die komfortabelste, an Stille liess sie jedoch nichts zu wünschen übrig. Ein durch leichte Bewölkung gefiltertes Vor-Vollmondlicht verstärkte den Eindruck der Entrücktheit. Die Zahl der Gäste hielt sich in einem kleinfamiliären Ausmass. Ein junges deutsches Wandererpaar, das auf dem E2 / GR5 unterwegs war, lieh sich beim Frühstück unsere Karte aus. Sie hatten das Auto dabei und suchten eine Route, die sie hierher zurückführen würde. Mit einer Variante über die Rochers du Cerf und das Tal des Doubs-Zuflusses Théverot wurden sie fündig.

Hier wanderten Informationen...

Der GR5 folgt im Wesentlichen dem die beiden Larmont-Ketten trennenden Längstälchen nach Südwesten und wäre auch für uns ein attraktives Angebot zum Weiterwandern gewesen. Aber genau wie gestern Morgen stand auch heute eine noch EHWS-nähere Alternative zur Auswahl, und für diese entschieden wir uns.


Vieux Châteleu (F) - Les Verrières (CH)
Etappe EHWS Jura, Nr. 12
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 19,9 km / 5h46'
Auf- / Abwärts 306 m / 576 m
Höchster Punkt 1'266 m (Grenzstein 79)
Tiefster Punkt 929 m (Les Verrières)
Fernwanderwege ---
Durchgeführt Samstag, 6. Oktober 2018
Weitere Facts & Figures
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Sie begann mit dem markierten Wanderweg nach La Brévine, der gleich von der Auberge aus in nach Osten zurückgewandter Richtung schräg durch den bewaldeten Hang der südlicheren der beiden Larmont-Ketten hinaufführt.

 

Für ein kurzes Stück wandelten wir also auf den Spuren nicht nur einstiger Schmuggler, sondern auch des Agenten Michel Hollard, der im Zweiten Weltkrieg mehrfach auf diese Weise mit Informationen aus dem besetzten Frankreich in die neutrale Schweiz gelangt war. Nach zehn Minuten war die Krete erreicht – und mit ihr die Landesgrenze und den sie begleitenden «Sentier des Bornes», mit dem wir schon gestern Bekanntschaft gemacht hatten.

Sentier des Bornes.
Sentier des Bornes.

Damit verliessen wir Hollards Pfade auch schon wieder und wandten uns scharf nach rechts, den Grenzsteinen nach Südwesten folgend. Deren erster trug die Nummer 71; zwischen den Grenzsteinen 73 und 74 passierten wir die Stelle, an der die Wasserscheide von Norden her zur Krete stiess, um uns fortan zu begleiten. Äste, Gestrüpp und kantige Steine liessen vermuten, dass dieser Teil des Weges nicht allzu oft begangen wurde. Wir gerieten jedenfalls trotz des eher kühlen Morgens und sehr geringer Höhenunterschiede schon bald ins Schwitzen und mussten anhalten, um Textil zu reduzieren. Eineinhalb Stunden lang arbeiteten wir uns durch den Wald vorwärts und sahen durch die Baumwipfel zur Rechten dann und wann die ebenfalls bewaldete Kuppe des leicht höheren Mont Châteleu, während zur Linken Ausschnitte des Moorseeleins Lac des Taillères aus dem Vallée de La Brévine herauf schimmerten.

... dort Ideen

Le Brédot.
Le Brédot.

Kurz vor Grenzstein Nummer 94 senkte sich der «Sentier des Bornes» über eine kurze felsige Steilstufe zu einem Strässchen hinab, das den Kamm in einer engen Kurve durchschnitt, und fand bei der ehemaligen Zollstation L’Helvétia sein Ende. Dahinter führte ein Wanderweg weiter nach Südwesten, allerdings nicht über die Krete, sondern etwas unterhalb derselben durch den (schweizerischen) Südhang. Der sehr schöne und gut gepflegte Waldweg endete nach rund 40 Minuten bei Le Brédot – einem weiteren verlassenen Gebäude auf der Krete und der EHWS, das an vergangene Grenzbewachungszeiten erinnerte – , wo er in einen Querweg mündete. Einer neben dem Gebäude stehenden Informationstafel entnahmen wir, dass es sich um einen alten Verbindungsweg handelte, der unter dem Namen «Vy aux Moines» die Benediktinerabteien von Môtiers im neuenburgischen Val de Travers mit jener von Montbenoît im freigrafschaftlichen Doubs-Tal verband. Aber nicht nur Mönchen, sondern auch Salzhändlern, Schmugglern, Flüchtlingen und nicht zuletzt «neuen Ideen» soll er fürs Weiterkommen gedient haben.

Heute diente er nun auch zwei Wasserscheidenwanderern – wenn auch nur für ein kurzes Stück. Und dies, obwohl er just von der Wasserscheide wegführte. Weil ich keinen durchgängigen Weg ausmachen konnte, der sie dem Kamm entlang weiter nach Südwesten begleiten würde, stiegen wir auf dem Mönchsweg an der nördlichen, französischen und zum Doubs entwässernden Seite des Kamms hinab. Nach einer kurzen Steilstufe traten wir aus dem Wald und stiessen auf den altbekannten GR5. Zum ersten Mal heute genossen wir etwas Aussicht: Nach Osten hin sahen wir dem Fernwanderweg und dem eben begangenen Kamm entlang zu der von diesem abgetrennten Pyramide des Mont Châteleu zurück, und zwischen diesem und andern Höhenzügen hindurch in die grün-dunkelblaue Weite der Franche-Comté hinaus.

Bei Les Seignes. Weiss-rote GR5-Markierung.
Bei Les Seignes. Weiss-rote GR5-Markierung.

Sowohl den GR5 als auch den Mönchsweg verliessen wir aber gleich wieder. Stattdessen schlugen wir beim Weiler Les Seignes ein nach links abbiegendes Strässchen ein, das eng dem Kammhang entlang südwestwärts führte, um einzelne alleinstehende Höfe zu erschliessen. Verstreut stehen sie auf einem breiten Terrassenplateau, das die Bergkette säumt und gegen die tiefer gelegene Talfurche des Théverot hin abgrenzt. Diese spaltet die Larmont-Kette in zwei Schenkel: Jenseits der Furche – sie selbst war nicht zu sehen – zieht sich der nördliche der beiden dahin, ein langes, helles Felsband kränzt seine Kammlinie: Das sind die Rochers du Cerf oder « Hirschfelsen», das Ziel unserer Wanderfreunde vom Morgen. Indem wir uns diesem näherten, engte sich unser Blickfeld Schritt für Schritt wieder ein.

Keine Wegmarken, keine Hindernisse

Hinter dem letzten Hof endete das Teersträsschen und ging in einen Wiesenweg über, der sich später zu einer Karrenspur verdünnte und schliesslich nur noch als Fusspfad schnurgerade durchs Gras auf den bewaldeten Hang zu steuerte. Es gab weder Wegweiser noch Markierungen, aber auch keine Viehweiden oder sonstigen Hindernisse. Dass wir unterwegs wieder auf Schweizer Gebiet gelangten, stellten wir erst hinterher beim Kartenstudium fest: Wie mit dem Lineal gezogen überquert die Grenze hier die Senke zwischen den beiden Larmont-Schenkeln.

Kurz nach dem Waldeintritt und einem schönen Feuchtgebiet mit seltenen Sumpfpflanzen begann der Hang anzusteigen. Plötzlich hörten wir Geraschel: Da war ein Rudel von Wildschweinen, die sichtlich nicht mit Besuchern gerechnet hatten und eiligst das Weite suchten. Oben gelangten wir auf einen die beiden Bergketten verbindenden Sattel und auch wieder auf einen markierten Wanderweg. In stetigem, aber mässigem Anstieg führte uns dieser wieder auf den Kamm des südlichen Larmont-Schenkels zurück, der hier «Grosse Prise» hiess und immer noch die EHWS trug. Im Unterschied zu dem am Morgen begangenen Abschnitt bildet er hier keine kantige Krete, sondern einen breiten Rücken, einem gewellten Plateau gleich. Auf keiner Seite sahen wir in ein Tal hinunter: Zur Rechten säumte der Waldrand die Kammlinie und damit die EHWS, und zur Linken bildeten der Chasseron und andere Höhenzüge des Waadtländer Juras einen Horizont, der sich zwar in erheblicher Ferne, jedoch direkt aus dem Plateau zu erheben schien.

Ein Menhir im Walde

Menhir du Combasson.
Menhir du Combasson.

Eine Weile folgte der Weg noch dem Waldrand, dann zog er sich in sanften Kurven über die Weiden hinweg nach Süden und tauchte jenseits derselben wieder in Wald ein. Er schnitt damit auf rheinischer Seite eine Schlaufe der EHWS ab: Diese holt hier nach Westen aus, um sich anschliessend in einer scharfen Kurve zurück zu biegen und über den vom Larmont abzweigenden Kamm des Cernil ein Stück weit nach Osten zu ziehen. Kurz nach einem markanten, allein im Wald stehenden und als «Menhir du Combasson» bezeichneten Felszacken überschritten wir sie zum letzten Mal für heute. Dann stiegen wir in das zur Rhone entwässernde Vallée des Verrières hinunter, um von dort die Heimreise anzutreten.

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