EHWS Andalusien, Etappe 29: Pampaneira - Pitres
Nach einer regnerischen Nacht war der Morgen wolkenverhangen, auf den Mittag kündigte sich neuer Regen an. Zum Glück hatte ich erneut eine Kurzetappe vor mir. Steil ging es zum Bergdorf Bubión empor, dann durch Kiefernwald auf eine felsige Schulter hinauf und auf deren Rückseite wieder abwärts. Von den schönen Alpujarras sah ich nicht viel, die Wolkenschwaden spielten mit der Landschaft Verstecken. Am Ziel begann es sogleich wieder zu regnen und hörte für den Rest des Tages nicht mehr auf.
Plangemäss wäre ich von Pampaneira in einem Tag bis nach Trevélez gegangen; angesichts des für heute zu erwartenden Regens schien mir das nun aber doch etwas weit. Nach einigem Online-Recherchieren fand ich ein buchbares Hotelzimmer in Pitres, das etwa auf einem Drittel des Weges lag. Dies ermöglichte es, die Etappe zweizuteilen.
Beim Aufwachen zögerte ich freilich noch, ob ich mir das überhaupt antun wollte: Alles war grau verhangen und nass, wenn auch der Regen gerade Pause zu machen schien. Für einen Augenblick erwog ich, mit dem Bus nach Granada zurückzufahren und es in einigen Tagen nochmals zu versuchen; aber da die Wetterprognosen auch für die zweite Wochenhälfte keinerlei Besserung versprachen, verwarf ich den Gedanken sogleich wieder. Und zu einem vollständigen Abbruch war ich noch nicht bereit.
Zumal während des Frühstücks etwas Bewegung in die Sache zu kommen schien: So rissen die Wolken immerhin soweit auf, dass ein Stück des gegenüberliegenden Berghangs zu sehen war; mit etwas Glück konnte mir eine Nebelwanderung erspart bleiben, hoffte ich. Und da ich meiner Wetter-App entnahm, dass ich zwar irgendwann unterwegs sicher einige Tropfen abbekommen würde, mit stärkerem Regen jedoch erst wieder am Nachmittag zu rechnen war, wenn ich in Pitres angekommen sein müsste, entschloss ich mich zum Aufbruch.
Pampaneira - Pitres |
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Etappe | EHWS Andalusien, Nr. 29 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 7 km / 2h31' |
Auf- / Abwärts | 448 m / 309 m |
Höchster Punkt | 1'533 m (Tajo del Soju) |
Tiefster Punkt | 1'085 m (Pampaneira) |
Fernwanderwege | E4 (GR7) |
Durchgeführt | Dienstag, 16. Oktober 2018 |
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Lob der Trockenheit
Immerhin konnte ich um zehn Uhr mit trockenen Sachen losziehen – der gestrigen Nachmittagssonne sei Dank. Vorsorglich zog ich auch die Regenhose über, was sich zur Erhaltung der Trockenheit als überaus nützlich erwies – nicht etwa wegen Regens, sondern wegen der triefenden Gräser und Sträucher, die den steilen Fussweg nach Bubión hinauf säumten und mir sonst in Kürze textile Nässe um die Waden herum beschert hätten. In rund einer Dreiviertelstunde arbeitete ich mich in nördlicher Richtung zu der Kirche hoch, deren weisse Spitze hoch über mir über die Bäume hinaus lugte. Weiter hinauf konnte ich aber nicht sehen, die Sierra Nevada war gänzlich von einer grauen Wand verdeckt.
An der Kirche vorbei gelangte ich in das am Hang klebende und von der Strasse nach Capileira durchschnittene Bergdorf hinein. Eben wurde es von einzelnen Sonnenstrahlen beglückt. Vielleicht deshalb wirkte es nicht verschlafen, aber etwa so, als rechne es damit, dass das Leben sich jeden Moment wieder in Bewegung setzen könnte. So schlenderten einzelne Touristen in Wandermontur gemütlich durch die Gässchen oder sassen unter dem Vordach einer Bar beim Kaffee. An der Strasse versuchte ich zum wiederholten Mal in diesen Tagen Geld aus einem Automaten zu beziehen – aber wie bereits jene in Soportújar und in Pampaneira war auch dieser Bancomat ausser Betrieb. Überlebenswichtig war Bargeld hier nicht, aber man kam doch immer mal wieder an einen Ort, etwa in eine Bar, wo es kein Kartenlesegerät gab.
Nebelwand statt Aussichtspunkt
Hätte ich mich für die Routen-Variante über den Mulhacén entschieden, hätte ich den GR7 hier verlassen und meinen Weg dorfaufwärts Richtung Capileira fortgesetzt. So aber ging ich dorfabwärts, wo der GR7 nach wenigen Schritten hangseitig zwischen Häusern von der Strasse abzweigte und dann in südlicher Richtung schräg durch den Berghang hinanstieg. Er entwickelte sich zu einem schönen, steinig bis felsigen, regelmässig ansteigenden Wanderweg. Bevor er zwischen Kiefern verschwand und später in ein Forststrässchen überging, bot er immer wieder Tiefblicke ins Tal und auf die flachen Dächer von Pampaneira mit ihren Kaminen hinunter. Mit zunehmender Höhe verdeckten dann nicht mehr nur die Bäume die Sicht, sondern immer mehr auch die in und über ihnen hängenden Wolken. Dort, wo der Weg sich auf den Rücken des Berges hinauf schwang – es müsste der Tajo de Soju gewesen sein – , um auf diesem eine Kehrtwende nach Norden zurück zu vollziehen, blickte ich an einer vage erkennbaren Antenne vorbei in eine graue Nebelwand hinein. Eigentlich wäre es wohl ein Aussichtspunkt.
Freude über ein paar Sonnenstrahlen
Mit dem Forststrässchen folgte ich dem Rücken weiter leicht aufwärts. Gemäss meiner Karte ging es der Erhebung Peña del Angel entgegen, jedoch wies schon bald eine GR7-Wegmarke nach rechts von dem Strässchen weg. Wie ich erst jetzt feststellte, hatte der GR7 die Schlaufe des Strässchens auf einem Fusspfad abgeschnitten; ich war also wieder einmal von ihm abgekommen. Nach wenigen Schritten durchbrach der Pfad eine Felsrippe. Es war wohl der Kulminationspunkt, etwas mehr als 1500 Meter über Meer. Begleitet von viel Motorenlärm – es klang nach dem Gebläse von Olivenerntemaschinen – begann ich mit dem sanften Abstieg. Als ich weiter unten aus dem Wald hinaus gelangte, öffnete sich vor mir flach nach rechts geneigtes, nur von einzelnen Bäumen bestandenes Wiesland, über das hinweg der Blick zu Berghängen hinglitt, deren Kämme und Kreten freilich meist in den Wolken verschwanden. An schönen Tagen musste sich hier ein wunderbares Panorama bieten. Ich konnte mich wenigstens an einigen Sonnenstrahlen freuen, die für einige Augenblicke den Weg durch die Wolkenfetzen fanden und die Szenerie aufhellten. Weit vorne war ein Dorf zu erkennen, das Pórtugos sein musste, und wenig später sah ich zur Rechten auch schon Pitres auf der Terrasse unter mir liegen.
Der Rest war Regen
Der Rest war ein gemütliches Hinabtrotten über Wies- und Buschland und an dem Weiler Capilerilla vorbei, und gegen ein Uhr erreichte ich die ersten Häuser von Pitres. Nach einem kurzen Dorfrundgang, auf dem ich sogar einen funktionierenden Geldautomaten antraf, liess ich mich am Dorfplatz auf der Terrasse der Bar La Taha nieder. Freilich hatte ich mich kaum hingesetzt, als es zu tröpfeln began, sodass ich mich zwecks trockenen Geniessens von Bier und Tapas ins Innere begab. Die junge Kellnerin, selber nicht von hier stammend, wie sie sogleich erklärte, war so fasziniert von den Wetterkapriolen, dass sie mir voll Begeisterung eine Serie von Fotos zeigte, die sie am Morgen mit ihrem Smartphone von der sich durch das Spiel von Licht und Wolken immer wieder verändernden Landschaft gemacht hatte. Solch rasche Abfolgen von Stimmungen kenne man bei ihr zu Hause – sie kam aus der Rioja-Region – nicht, sagte sie.
Für heute war es freilich auch hier vorbei mit den Veränderungen. Auf dem Weg ins Hotel blieb mir Nässe nicht erspart, und den ganzen Rest des Nachmittags verbrachte ich dort im Zimmer und schaute dabei in einen nicht besonders starken, aber in himmeltrauriger Gleichmässigkeit vor sich hinströmenden Regen hinaus, der nicht daran zu denken schien, jemals wieder aufhören zu wollen.
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