EHWS Vogesen, Etappe 1: Remiremont - Les Fèches (L'Envol)
Das Auffahrts-Wochenende nutzte ich für den Start zum Vogesen-Abschnitt der EHWS-Wanderung. Von Remiremont an der Moselle stieg ich in einer gemütlichen Halbtagesetappe auf jenen nicht sehr hohen Hügelzug hinauf, der das obere Moseltal gegen Südwesten abschirmt und vom Einzugsgebiet der Saône trennt. Auf der Wasserscheide wurde getanzt, und sie teilte meine Nacht: Denn ich ass auf der Mittelmeer- und schlief auf der Nordsee-Seite.
Nach einem wechselhaft-kühlen Mai und zuletzt eher regnerischen Tagen kündigte sich erstmals in diesem Jahr eine sommerliche Periode an. Als ich am Auffahrtstag ins obere Tal der Moselle (oder Mosel) reiste, um den EHWS-Abschnitt durch die Vogesen in Angriff zu nehmen, war es dort allerdings noch bedeckt und bestenfalls lauwarm. Es war schon 14 Uhr, als ich mich nach der siebenstündigen Bahnreise in Remiremont in westlicher Richtung in Bewegung setzte. Mein erstes Ziel bestand darin, den Zugang zum Fernwanderweg GR7 zu finden. Ich sah aber nur eine Abzweigung zum GR5F, und da ich den auf meiner Karte nicht fand und noch nicht wusste, dass er hier mit dem GR7 identisch war, liess ich ihn links liegen und folgte auf der Strasse weiter den Wegweisern nach Val-d’Ajol. Dadurch ging ich nicht direkt südwärts auf den Höhenrücken zu, sondern westwärts in ein Quertälchen hinein, das in den Rücken eingekerbt ist und aus dem der Bach Fouchot zur Moselle herunterkommt.
Remiremont - Les Fèches (L'Envol) |
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Etappe | EHWS Vogesen, Nr. 1 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 12,5 km / 3h42' |
Auf- / Abwärts | 493 m / 227 m |
Höchster Punkt | 728 m (vor Croix Notre Dame) |
Tiefster Punkt | 388 m (Remiremont, Gare) |
Fernwanderwege | GR7 |
Durchgeführt | Donnerstag, 30. Mai 2019 (Auffahrt) |
Weitere Facts & Figures | |
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Nagelfluh-Pfad und Kriegsgeleise
Erst kurz vor dem Ortsausgang verliess ich die Strasse und schwenkte auf ein sanft, aber stetig ansteigendes Strässchen ein. Ich passierte einen Tennisplatz und ein Reitzentrum, trat in den Wald ein und liess die bebaute Zone hinter mir. Bald krümmte sich das Kerbtälchen nach Süden, und ich gelangte auf die Rückseite des Höhenrückens. In einer scharfen S-Kurve des nun steileren Strässchens bog ich auf einen abzweigenden Wanderweg ab. Nach einem kurzen Anstieg und einer Abzweigung nach rechts gelangte ich auf einen sehr schönen, schmalen Waldweg, der «Sentier des Poudingues» hiess. Ich musste das Wort nachschlagen: Es entspricht dem deutschen «Nagelfluh» – und ja: Tatsächlich wird der Weg von faszinierenden Gebilden aus oft moosbewachsenen Nagelfluh-Brocken und –Formationen gesäumt.
Fast ebenan und mit erstaunlich geradlinigen Abschnitten zog er sich etwas unterhalb des Kamms durch den Hang. Einen Hinweis auf den Grund dafür gab ein kleines Schild an einem Baumstamm: «Ancienne voie ferrée de 60 (cm) 1915» las ich da. Offenbar gab es hier einst ein schmales Geleise, das – so fand ich bei einer nachträglichen Internetrecherche heraus – zu Beginn des 1. Weltkriegs gebaut worden war und dazu diente, die auf der Krete stationierten Soldaten von Remiremont her mit Munition und Proviant zu versorgen. (Die deutsche Grenze war damals sehr nahe, nämlich auf dem nur knapp 50 Kilometer entfernten Ballon d‘Alsace.)
Der Pfad lief flach auf eine niedrigere Stelle des Rückens aus und mündete dort in die sich aus dem Tal heraufschwingende Strasse D57. Auf dem flachen, «Chalet des Gardes» genannten Sattel gabs einen Parkplatz, eine Schutzhütte, Picknickplätze, eine Informationstafel und mehrere Strassen- und Wanderwegweiser. Einer davon wies zu der 200 Meter entfernten Quelle des Fouchot auf der rechten Seite, ein anderer zum GR7, der von der linken Seite aus Remiremont heraufkam – also zu jenem Weg, den ich dort verpasst hatte.
Damit hatte ich nun also meinen Fernwanderweg gefunden, und auf diesem wanderte ich in südlicher Richtung weiter. Er blieb mehr oder weniger auf dem Kamm, immer in Höhenlagen um die 700 Meter, fast immer im Wald, abwechselnd auf Fusspfaden und spärlich befahrenen Strassenstücken der D57. Und auch mit der EHWS kam ich bald erstmals in Berührung, auch wenn nichts dies verriet: Kurz nach dem Chalet des Gardes passierte ich den höchsten Punkt des Tages und wenig später eine Stelle, die mit «Croix de Notre Dame» bezeichnet war (von dem Kreuz war allerdings nur noch ein steinerner Sockel vorhanden); ich schätze, dass die EHWS-Linie ungefähr hier, vom Vôge-Plateau her kommend, diesen Vogesenkamm erreicht. Aus den Karten jedenfalls schliesse ich, dass das Wasser auf der westlichen Kammseite nun nicht mehr zum Moselle-Zubringer Fouchot rinnt, sondern von Quellbächen des Combeauté gesammelt wird, der via Semouse und Lanterne der Saône zufliesst.
Tanz auf Beinen, Tanz auf Rädern
Ich gelangte mehr oder weniger entlang der EHWS auf einen Sattel mit einer Strassenkreuzung und der Auberge de la Croisette d’Hérival. Zu meiner Überraschung war der Parkplatz voll mit Autos, und aus dem Innern des Restaurants drang Musik nach draussen. Ich guckte durch die Fenster hinein – und sah in einen grossen Saal, über dessen Flur Paare ihre Tanzbeine schwangen. «Thé dansant» stand denn auch unter dem Namen des Lokals. Da strömten also an einem Auffahrts-Nachmittag Leute in Scharen zu diesem abgeschiedenen Ort auf der Wasserscheide hinauf um zu tanzen!
Noch einmal ging es über einen Waldpfad, der eine Serpentine der D57 abschnitt, ein kurzes Stück aufwärts, dann hörte der Wald fürs erste auf, und der Blick weitete sich sowohl Richtung Moseltal zur Linken als auch Richtung Sâone-Becken zur Rechten: rundum ruhiges, unspektakulär gewelltes Land in unterschiedlich satten Grün-Schattierungen unter einer leicht aufgelockerten Wolkendecke, durch die inzwischen einzelne Sonnenstrahlen drangen. Prompt war ich nicht der einzige, der hier einen Moment innehielt: Auf einem Parkplatzstreifen neben der Kammstrasse hatte ein Rudel Motorradfahrer Pause gemacht und schickte sich eben zur Weiterfahrt an. Ich sah zu, wie sie sich – meist paarweise – auf ihre Maschinen schwangen, die Motoren starteten, einer nach dem andern abdrehten und sich zum Konvoi reihten – auch eine Art Tanz, fand ich, wenn auch auf Rädern und zu Motorengeheul.
Erholungsoase im Grünen
Unmittelbar nach dem Parkplatz kam ich zur Wegkreuzung «La Barre de La Vigotte», von der nach rechts ein Weg zum Hotel «La Vigotte» abzweigte. Dieses war gemäss meiner Buchungs-App voll belegt; ich hatte aber auf der andern Seite des Kamms eine Alternative gefunden. Deshalb schlug ich die nach links abzweigende Rue des Fèches ein, die moselseitig bergabwärts führte; nach einer Viertelstunde kam ich noch vor dem Weiler Les Fèches zu einem inmitten saftiger Wiesen stehenden Haus, in dem zwei Frauen unter dem Namen «L’Envol» nebst Zimmern mit Frühstück auch Yoga- und andere Kurse anboten – eine Erholungs- und Besinnungsoase im Grünen für gestresste Stadtmenschen. In dem Blumen- und Kräutergarten, der das Haus umgab und den ich mir ausgiebig zeigen liess, hatten Catherine und Nathalie – die beiden Hausherrinnen – mit weissen Steinen und grünem Gras ein grosses Yin-und-Yang-Symbol ausgelegt.
Weil Nachtessen aber nicht zum Grundangebot gehörte, musste ich später nochmals los, nämlich zurück auf den Kamm hinauf und auf der andern Seite hinunter ins «Vigotte», das wenigstens im Restaurant noch freie Plätze hatte. Es lag auf der Saône-Seite an einem lauschigen Ort am Hang einer sanft gewölbten, von Wald gesäumten Talmulde mit mehreren Weihern, weidenden Pferden und Eseln und in der Abendsonne golden leuchtenden Ginstersträuchern. Später im Mondschein musste ich dann denselben Weg wieder zurückgehen; ich tanzte heute Nacht eben auf beiden Seiten der Wasserscheide.
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