EHWS Vogesen, Etappe 4: Lepuix - Ballon d'Alsace
Um die im Frühling auf dem Elsässer Belchen unterbrochene Wanderung fortzusetzen, stieg ich im Herbst ein zweites Mal dort hinauf. Diesmal näherte ich mich ihm von Süden her: einem Flüsschen entlang zuerst gemütlich bis an den Vogesenfuss und dann steil neben einer Abfolge von tosenden Wasserfällen durch Wald hinauf bis zur Quelle unterhalb des Gipfels. «La Savoureuse» nennt sich das Flüsschen – was offenbar auf ein altes Dialektwort für «Säge» zurückgeht.
Nach einer kühlen und regnerischen Phase kündigte sich im Oktober noch einmal ein Intervall von zwei schöneren Wandertagen an, denen jedoch ein Herbsteinbruch folgen sollte. Schon gegen Abend des zweiten Tages würde mit dessen Beginn zu rechnen sein. Ich nahm es in Kauf. Eigentlich hätte ja ein einziger Tag gereicht, um die Reststrecke zwischen dem Ballon d’Alsace und der Burgundischen Pforte abzuwandern – aber dazu musste ich eben erst einmal wieder auf den Berg hinauf gelangen, von dem ich im Frühling per Auto – von Ruth abgeholt – abgereist war. Und da es ausserhalb der Skisaison keine öffentlichen Verkehrsverbindungen auf den Ballon hinauf gibt, sah ich keine andere Möglichkeit, als ihn noch einmal zu Fuss zu besteigen. Und dazu benötigte ich einschliesslich der Anreise aus der Schweiz einen ganzen Tag.
Lepuix - Ballon d'Alsace (Hôtel du Sommet) |
|
Etappe | EHWS Vogesen, Nr. 4 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 10,1 km / 3h30' |
Auf- / Abwärts | 627 m / 5 m |
Höchster Punkt | 1'172 m (Hôtel du Sommet) |
Tiefster Punkt | 501 m (Lepuix) |
Fernwanderwege | GR5 (GR7) |
Durchgeführt | Freitag, 11. Oktober 2019 |
Weitere Facts & Figures | |
Vorige Etappe | Nächste Etappe |
Wiedersehen mit dem GR5 / E2
Eine Etappe meines Wasserscheiden-Projekts war diese Wanderung somit aber nicht; sie diente mir einzig als Zustieg zwecks Fortsetzung desselben. Ich beschreibe sie hier überhaupt nur deshalb, weil sie ein weiteres Teilstück auf dem GR5 / E2 darstellt, jenem für mich altbekannten Fernwanderweg, auf dem ich vor Jahren vom Vogesenfuss bis nach Maastricht in den Niederlanden gewandert bin (und den ich auch im Jura schon für einige Kilometer genutzt habe).
Mit der An- antizipierte ich die Rückreise: Weil es schwierig wäre, am Samstagabend mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Bern zurück zu gelangen, fuhr ich mit dem eigenen PW an und parkierte ihn am vorgesehenen Zielort am Ostfuss der Vogesen, gleich neben der Kirche des Örtchens Rougemont-le-Château. Von dort reiste ich mit insgesamt drei Bussen (einem von Rougemont nach Belfort, einem Stadtbus und schliesslich einem nach Lepuix) in einem grossen Bogen um den Vogesenkamm herum zu dessen Südseite.
Um 13 Uhr stieg ich in Lepuix aus und wanderte bei sonnigem, klarem und angenehm warmem Wetter los. Der Wegweiser gab die Distanz für die direkteste Strecke – es war jene auf dem GR5, es gab auch noch andere – mit 11,5 km an. Lepuix liegt etwas nördlich seines grösseren Nachbarortes Giromagny am Ausgang eines Tals, das von zwei bewaldeten Bergkämmen gesäumt wird und von der Savoureuse durchflossen wird, dem Stadtfluss von Belfort. Es ist von Westen her gesehen der erste im Bereich der EHWS entspringende Fluss, der via den Doubs zu Sâone und Rhone fliesst. Gemäss der französischsprachigen Wikipedia-Seite könnte sein möglicherweise auf das alte Dialektwort «savour» (deutsch: «Säge») zurückgehender Name eventuell an seine frühere Nutzung durch die im Tal ansässigen Sägereien erinnern. Dass das Flüsschen hingegen das trogförmige Tal geschaffen, also «ausgesägt» haben könnte, wird ihm angesichts seines eher bescheidenen Wasservolumens nicht zugetraut; dies soll vielmehr auf das Konto eines eiszeitlichen Gletschers gehen.
Springende Forellen, sägende Kaskaden
Das Tal ist im unteren Teil tatsächlich breit und ziemlich flach, nur in sanften Stufen steigt es unmerklich an. Abschnitte durch Wald wechseln sich mit solchen über Wiesen ab, die Savoureuse ist immer nahe, dann und wann säumt ein Teich ihren Lauf. Nach einer knappen Stunde verengte sich beim Weiler Malvaux das Tal, der Weg tauchte in den Wald ein und stieg plötzlich steil durch eine Schlucht hinauf. Sie war zwar nur kurz, für mich aber dennoch ein Hinweis auf eine gewisse Sägewirkung des Flusses. Dann kreuzte man die sich durch einen Fels (den «Roche du Cerf») hindurchzwängende Strasse und gelangte kurz danach auf eine weitere flache Talstufe, durch die sich der Weg nun auf der Ostseite von Strasse und Fluss dahinzog. Nochmals eine knappe Stunde hiess es gemütlich Gehen, dann erreichte ich das schön am Flüsschen gelegene, aber dem Motorradlärm ausgesetzte Hotel «Saut de la Truite». Dessen Name («Forellensprung» auf Deutsch) schien sich nicht nur auf Fische zu beziehen: Auch das Gelände wechselte sprunghaft die Gestalt, der flache Talboden endete abrupt und stiess mit dem steilen bewaldeten Berghang zusammen. Während die Strasse sich in engen Serpentinen rechts am Hang hinauf zu winden begann (daher das Motorradgeheul), stach der Wanderweg geradewegs in diesen hinein und hinauf. Er trug nun den Namen «Sentier des Cascades» und verwandelte sich in einen steilen und steinigen, teils getreppten Pfad, auf dem ich der über mehrere Wasserfall-Stufen zu Tale stürzenden – oder sich dorthin sägenden? – Savoureuse entgegen kletterte.
Nach etwa 220 Höhenmetern hörte das Tosen plötzlich auf, und ich stand am Ufer eines idyllisch in sich ruhenden Waldteichs, dessen Oberfläche nicht die geringste Rille zeigte – es war der 920 m hoch gelegene Etang du Petit-Haut. Die umstehenden Bäume spiegelten sich mit ihren bunten Herbstfarben in seinem glatten Spiegel. Eine Spitzkehre vollziehend, führt der Weg dem Ufer entlang ein Stück nach Süden zurück, um nach einer weiteren Spitzkehre weiter oben am Hang wieder zurück zu schwenken. Wieder ansteigend, kreuzt er noch einmal die jünger werdende, schmalere und weniger wilde Savoureuse. Kurz vor dem Waldaustritt trifft der Weg mit dem GR7 zusammen, auf dem ich im Frühling vom Col du Stalon herauf gekommen bin – von jenem Pass, an dessen Südseite der Rahin entspringt, der sein Wasser – anders als die Savoureuse – nicht via Doubs, sondern via Ognon der Saône zuführt.
Es kann auch ruhig sein
Den Rest des Weges kannte ich nun; eine Viertelstunde später erreichte ich unter der baumlosen Gipfelkuppe und der Wasserscheide die Passstrasse. Es war aber unvergleichlich viel ruhiger als im Frühling: Damals war der Berg voller Auto- und Motorradfahrer und Radler – heute jedoch gab es kaum Leute. Am Minenräumer-Denkmal vorbei ging ich auf der Strasse bis zur Quelle des Rinnsals, das etwas oberhalb aus dem Hang hervorsprudelt und dem man tatsächlich nicht die geringsten sägenden Kräfte voraussagen würde. Hundert Meter daneben steht das Hotel du Sommet, ich betrat es genau vier Stunden nach dem Start. Die Sicht war klar, die Aussicht nach Süden reichte bis zum Jura (der Sendeturm auf dem Chasseral war zu erkennen) und wie damals im Frühling über diesen hinweg bis zu den Berner Alpen; am Horizont markierten Eiger, Mönch und Jungfrau Präsenz. Und im Osten sah ich am späteren Abend von meinem Zimmer aus den Vollmond über der Burgundischen Pforte stehen.
Bilder-Galerie
Starte die Dia-Show oder klicke dich durch (zum Vergrössern klicke zuerst auf das Kreuz in der Mitte).