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Als wäre man auf der Pirsch

EHWS  Schwarzwald, Etappe  6: Sankt Georgen - Villingen

Auf dem Hagen bei Villingen. (Turbine steht auf der EHWS.)
Auf dem Hagen bei Villingen. (Turbine steht auf der EHWS.)

Beim allmählichen Abstieg vom Schwarzwald geriet ich auf moosige Waldpfade, auf denen sonst wohl nur Jäger gehen. Bei der Ankunft im flach gewellten Vorland war das Tagesziel schon nah. Auf den Spuren der Wasserscheide schlich ich mich aber in weiten Bögen um dieses herum, ehe ich mich ihm von hinten näherte. Ganz ähnlich verhielten sich auch die Gewitter: Sie donnerten mal von da und mal von dort, aber der Regen kam erst nachts.

Vor mir lag die längste meiner Schwarzwald-Etappen, sie war mit rund 32 km fast so lang wie ihre beiden Vorgängerinnen zusammen. Zudem waren für den Nachmittag Gewitter angekündigt. Schon am Morgen zeigte sich etwas Gewölk an dem sich ansonsten noch blau über Sankt Georgen spannenden Himmel. Möglichst weit kommen vor den Gewittern, lautete also meine Devise. Das Routenprofil kam mir dabei entgegen: Denn ausser beim Start gab es keine nennenswerten Höhenunterschiede zu überwinden – ganz im Gegenteil: Der grösste Teil der Strecke neigte sich sanft vom Schwarzwald hinunter und setzte sich in dessen Vorland weitgehend flach fort.

St. Georgen, Seebauernhöhe.
St. Georgen, Seebauernhöhe.

Der Wiederaufstieg zu dem das Brigachtal im Norden abschirmenden Höhenzug blieb mir allerdings nicht erspart – eine Buslinie zum Stadtteil Seebauernhöhe hinauf gab es zwar, aber die verkehrte am Sonntag nicht. Es kostete mich eine gute Dreiviertelstunde, dann war ich zurück beim Wanderwegweiser «Schanzgraben», bei dem ich die Wasserscheide am Vorabend verlassen hatte. Auf regionalen Wanderwegen (blaue Rauten) kam ich flott über das flache Hochplateau voran, durch schöne Tannenwälder und fruchtbare Felder bis zum Hof Lützelbronn, wo ich auf die Verbindungsstrasse zwischen Brigach- und Schiltachtal stiess. In unmittelbarer Nähe erreicht die EHWS hier den nördlichsten Punkt ihres Schwarzwald-Abschnittes, und wie sie wandte auch ich mich nun nach Südosten.

Durch Wildnis irrend

Ein Stück weit tat ich dies auf der Strasse, dann wieder auf einem Feldweg, der nach links abzweigte und über eine Lichtung in den ausgedehnten Kienmooswald führte. Wohl durch eine Begegnung mit einem nicht angeleinten Hund und dessen ins Gespräch mit einer Frau vertieften Herrn abgelenkt – Letzterer warf mir lediglich ein flüchtiges «Der-tut-schon-nichts!» zu – , fand ich mich unversehens auf einem schmalen Fusspfad wieder, auf dem ich vergeblich nach Markierungen Ausschau hielt und der sich auch schon bald unter Moos und anderem bodendeckenden Kleingewächs verlor.


Sankt Georgen - Villingen
Etappe EHWS Schwarzwald, Nr. 6
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 31,9 km / 8 h 10'
Auf- / Abwärts 211 m / 351 m
Höchster Punkt 895 m (Sankt Georgen, Seebauernhöhe)
Tiefster Punkt 702 m (Villingen, Bahnhof)
Fernwanderwege

Schwarzwald Ostweg

(kurze Berührungen)

Durchgeführt Sonntag 15. August 2021
Weitere Facts & Figures
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DIe EHWS im Bereich dieser Etappe
  • Wasserscheide zwischen Vorflutern des Donau-Quellflusses Brigach auf der Schwarzmeer- und Subsystemen der Oberrhein-Nebenflüsse Kinzig und Neckar auf der Nordsee-Seite.
  • Die Kinzig wird durch ihr Subsystem der Schiltach und der Neckar durch jenes der Eschach alimentiert.
  • DIe EHWS erreicht nordöstlich von Sankt Georgen den nördlichsten Punkt ihres Schwarzwald-Abschnittes und biegt dann nach Südosten ab; sie verläuft dabei über einen zusehends an Höhe verlierenden Rücken und geht schliesslich in das nur noch schwach modellierte östliche Schwarzwald-Vorland über.
  • Durch dieses zieht sie grössere Schlaufen und umgeht in weitem Bogen den westlichen Teil der Stadt Villingen-Schwenningen. Vor dessen östlichen Toren verlässt sie den Schwarzwald und tritt in die Baaralb ein, womit sie in den Jura zurückkehrt.
  • Die Wanderroute verläuft ab dem Schanzgraben ob Sankt Georgen bis vor die Tore Villingens meist nahe der EHWS; sie kreuzt sie mehrfach und teilt einzelne kurze Strecken mit ihr.

Ich musste eine Verzweigung übersehen haben; allerdings zeigte die Ortungsfunktion meiner Navigations-App, dass ich keineswegs von der durch sie ermittelten Route abgekommen war. Und da sich der Boden als durchaus begehbar erwies, verzichtete ich auf eine Umkehr und pirschte mich stattdessen weiter durch die stille, zauberhaft anmutende und offensichtlich behutsam gehegte Wildnis vorwärts.

Dem Gewitter entgegen

Gifitzenmoos, Blick zur Schwäbischen Alb.
Gifitzenmoos, Blick zur Schwäbischen Alb.

Schliesslich stiess ich wieder auf einen Weg mit gelben Rauten (also einen lokalen Wanderweg), und dieser führte mich – etwa eine Dreiviertelstunde, nachdem ich ihn betreten hatte – aus dem Kienmooswald hinaus. Auf den an diesen anschliessenden Feldern waren Erntearbeiten im Gang, über ihnen hatten sich die Wolken inzwischen verdichtet. Bis ich nach einem kurzen Abstieg den Talboden des Brigachtals erreichte, liessen sie die Sonne schon kaum mehr durch. Nach dem Ort Schoren und der Grossbaustelle einer entstehenden Gewerbezone verliess ich den Talboden gleich wieder. In dem leicht ansteigenden und dann abflachenden, von Heidelbeeren nur so strotzenden Wald war erstmals fernes Donnergrollen zu vernehmen. Dass ich beim Waldausgang auf eine Schutzhütte traf, kam mir daher wie gerufen. Von ihr und der daneben stehenden Holzliege aus blickte man über das weite Vorland und die Baar in Richtung Schwäbische Alb, vor der sich freilich eine hohe, schwarze Wolkenwand auftürmte und sie verbarg. Hier, unter dem schützenden Vordach der Hütte, wollte ich das Gewitter über mich ergehen lassen, das von dort herüberhallte.

Im (Halb-)Kreis drehend

Doch wider Erwarten schien es nicht näherzukommen, sondern sich vielmehr sachte zu verziehen, sodass ich nach einer halben Stunde – es war inzwischen früher Nachmittag – weiterzog. Etwas abwärts beim Naturschutzgebiet Gifitzenmoos – ich befand mich da auf der Rhein-Seite der EHWS im Quellgebiet der Eschach, eines Neckar-Zuflusses – gab ein Wegweiser die Entfernung zu meinem Zielort Villingen mit lediglich 10 km an. Das galt freilich für den Ostweg, auf dem ich seit einigen Kilometern ging, und dieser steuerte die im Süden liegende Stadt relativ direkt an und kümmerte sich nicht um den Verlauf der EHWS. Diese winkelt nämlich im Dorf Mönchweiler, das ich wenig später durchschritt, nach Osten ab, um zu einem weiten Bogen um das Villinger Becken herum anzusetzen. Ich liess den Ostweg somit nach rechts davonziehen und verfolgte mein Forschungsobjekt mithilfe lokaler Wanderwege weiter, in wechselndem Auf und Ab durch Feld und Wald. Ein Funkturm, der wie eine Nadel aus einem Wald in den Himmel hinauf stach, bot dabei Orientierung: Er war zunächst vor, dann lange Zeit rechts von mir – wobei ich mich in weitem Bogen um ihn herumdrehte – und zuletzt hinter mir. Am nächsten kam ich ihm nach dem Ort Sommertshausen auf der Anhöhe «Guggenbühl». Dort lag mir die Stadt Villingen zu Füssen, sie schien nur einen Katzensprung entfernt. Doch vorerst kehrte ich ihr den Rücken und entfernte mich zunehmend von ihr, weitere Abzweigungen ignorierend und begleitet von immer wieder von anderswoher hallendem Donner – und erst, als ich in der Nähe des Dorfes Weilersbach bei einer auf offenem Feld stehenden Windturbine den Trauf der Schwäbischen Alb am Horizont auftauchen sah – plötzlich war die Sonne wieder da und liess dessen Felsflühe hervortreten – , wandte ich mich um und dem nun im Südosten liegenden Villingen zu. Genauso, wie die Wasserscheide es tat.

Schon wieder eine Klinik auf der Wasserscheide!

An einem Wasserturm vorbei und unter einer Strasse hindurch gelangte ich in die sonntäglich ruhige Gewerbezone Herderen und nach deren Durchschreiten über die Anhöhe «Hohe Mark» nochmals zu einem von Wald gesäumten und von Feldern bedeckten Plateau hinauf. Dieses trennt die namengebenden Hälften der Doppelstadt Villingen-Schwenningen – und gleichzeitig die Einzugsgebiete von Nordsee und Schwarzem Meer. Der Himmel hatte sich schon wieder verdüstert, das Donnern schien wieder lauter zu werden. Plötzlich wurde dieses jedoch vom Lärm eines heranfliegenden Helikopters übertönt; über meinen Kopf hinweg steuerte er einen vor mir auftauchenden Gebäudekomplex an und landete auf einem Vorplatz. Sofort eilten Rettungsleute und -fahrzeuge herbei. Ich hatte den Krankenhauskomplex des Schwarzwald-Baar-Klinikums erreicht. (Schon wieder eine Klinik auf der Wasserscheide, dachte ich in Erinnerung an jene auf der Katharinenhöhe, an der ich zwei Tage zuvor vorbeigekommen war.) Im Zickzack zwischen den Krankenhausgebäuden und letzten Bauernhöfen hindurch suchte ich meinen Weg zum Stadtrand, vor dem ich wieder auf den Ostweg stiess, der mich an dem – geschlossenen – Aussichtsturm Wanne vorbei in die Stadt hinunterführte. Über die Bahngeleise und eine Brigachbrücke erreichte ich gegen sieben Uhr deren Zentrum.

Das Gewitter umkreiste die Stadt noch etwas länger. Erst gegen neun entlud es sich – und da war sie, genauso wie ich, äusserst dankbar für die Abkühlung.

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