Diese Wanderung führt vom Vorland des Alpen-Nordhangs ins Küstengebiet der Nordsee. Auf ihrer gesamten Länge von rund 1600 Kilometern bleibt sie vollständig im Einzugsgebiet der beiden in die Nordsee mündenden Ströme Rhein und Maas; nur kurz streift sie Quellgebiete von Gewässern, die via Rhone dem Mittelmeer zufliessen. Unterwegs überquert sie mit Jura, Vogesen und Ardennen drei Mittelgebirge und nahezu die ganze Breite des europäischen Tieflands mit einem der grössten Flussdeltas des Kontinents. Die abwechslungsreichen Landschaften - Wälder, karge Plateaus, weinbergbestandene Flusstäler, Heidegebiete, Dörfer und Städte, Ebenen mit unermesslich weiten Himmeln und viel Wasser - sind alle stark vom Menschen geprägt, der sie nutzt, besiedelt, gestaltet und zum Teil sogar geschaffen hat.
Bern - Amsterdam | |
Länge | 1'605,7 km |
Zeit | 68 Tage |
Höchster Punkt | 1'424 m (Grand Ballon) |
Tiefster Punkt | - 6 m (Groene Hart van Holland) |
Aufbruch | 31. August 2007 |
Ankunft | 30. Juni 2015 |
Abschnitte | |
Weitere Facts & Figures |
Die Hauptstadt der Schweiz mit jener der Niederlande verbindend, verläuft die Route durch Gebiete der Schweiz, Frankreichs und aller drei Benelux-Länder. Über weite Strecken führt sie somit durch eine Übergangszone zwischen lateinischem und germanischem Kulturraum und deren wichtigsten historischen Machtzentren. Viele Stellen zeugen von den verheerenden Auseinandersetzungen der Vergangenheit wie auch von den Ansätzen zu deren Überwindung. Schlachtfelder, Soldatenfriedhöfe, liegengelassener Kriegsschrott, Bunker und Gedenktafeln säumen den Weg ebenso wie Stationen des europäischen Einigungsprozesses mit an sie erinnernden Denkmälern, Museen und Inschriften.
Naturgemäss weist das Höhenprofil der Route in der Haupttendenz eine abwärts gerichtete Neigung auf. Der Ausgangspunkt liegt auf einer Höhe von 570 Metern, das Ziel auf jener des Meeres. Den höchsten Punkt der gesamten Wanderung bildet der Gipfel des Grand Ballon in den Vogesen mit 1'424 Höhenmetern. Er wird bereits nach wenigen Tagen erklommen. Die tiefsten Stellen liegen auf verschiedenen Abschnitten etwa 6 bis 8 m unterhalb des Meeresspiegels. Sie befinden sich im holländischen Groene Hart (Grünes Herz) und werden erst gegen Ende der Wanderung erreicht.
Mit 1‘430 Meter nimmt sich die maximale Höhendifferenz also vergleichsweise bescheiden aus. Sie täuscht darüber hinweg, dass in den drei Mittelgebirgen zwischen dem Ausgangspunkt an der Aare und dem Erreichen des Tieflands an der Maas zahlreiche Auf- und Abstiege zu bewältigen sind, die sich zu einem stattlichen Steigungs- und Gefälle-Saldo summieren und sich Gelenken und Knöcheln vernehmbar mitteilen. Aber auch unter andern Gesichtspunkten ist die Wanderung nicht wirklich anspruchslos. Kalkgestein im Jura, Buntsandstein in den Vogesen oder Tonschiefer in den Ardennen - nicht zuletzt auch die Sandsteinfelsen der Kleinen Luxemburgischen Schweiz - sind geologische Tatsachen, denen man mit Trittsicherheit und einem griffigen Sohlenprofil bedeutend besser gewachsen ist als ohne. Auf der rund 450 Kilometer langen Flachlandwanderung bis zum Ijsselmeer fordern mitunter sandige oder sumpfige Böden die Muskeln heraus. Halbwilde Pferde oder Rinderherden und je nach Jahreszeit und Witterung brütendes Geflügel oder überflutete Stellen können gelegentlich Umwege erzwingen. Auf Deichen und Polderwegen lehren böige bis stürmische Winde mit und ohne Regen gute Kleidung zu schätzen - und ersparen zugleich teure Gesichtspeelings.
Zur Orientierung folgt die Route grösstenteils dem europäischen Fernwanderweg E2 (Mittelmeer – Irland) beziehungsweise der „Grande Randonnée“ GR5, die in Frankreich, Luxemburg und Belgien mit diesem zusammenfällt. Erreicht wird er bereits nach wenigen Tagen am Fuss der Vogesen in Thann und verlassen erst wieder auf dem St. Pietersberg vor den Toren Maastrichts. Für die Fortsetzung in den Niederlanden bieten sich nationale Fernwanderwege an, zunächst quer durch Maastricht und den Süden Limburgs der „Pieterpad“ (Pieterweg), ab Sittard der historische „Pelgrimspad“ („Pilgerweg“), der über die restlichen rund 450 Kilometer bis ins Herz von Amsterdam führt. Einzig zu Beginn – in der Schweiz und durchs südliche Elsass – muss man sich die Route aus lokalen und regionalen Wanderwegen selbst zusammensetzen.
Ich habe diese Fernwanderung auch aus biographischen Gründen gewählt, verbindet sie doch wichtige Erfahrungsräume meines Lebens miteinander. Ich habe die Strecke in sieben Teilstücke von je etwa zwischen 180 und 260 km Länge aufgeteilt und diese über einen Zeitraum von acht Jahren zwischen 2007 und 2015 erwandert. Das erste Teilstück startete direkt an meiner Haustüre im Norden Berns, die An- und Rückreisen für die folgenden Teilstücke unternahm ich per Bahn und Bus, zur abschliessenden Rückreise gönnte ich mir einen Direktflug Amsterdam-Bern.
Insgesamt benötigte ich für das Unternehmen 68 Tagesetappen unterschiedlicher Länge. Die kürzesten führten nur knapp über 10 Kilometer, die längsten erstreckten sich auf bis zu 35 Kilometer. Übernachtet habe ich in Hotels, Herbergen und B&B’s, einmal auf einem Campingplatz und einmal notgedrungen im Freien. Nicht immer liegen die Unterkünfte direkt am Weg; gegebenenfalls nahm ich Umwege zu Fuss in Kauf oder ich nutzte Bahn oder Bus. In der Schweiz und in den Benelux-Ländern liessen sich dank hervorragender öV-Systeme entsprechende Lösungen immer finden, in Frankreich gestaltete sich dies mitunter etwas schwieriger.