Im Herbst 2021 - gut zwei Jahre und eine Pandemie nach der Besteigung des Mulhacén - kehrte ich in die Sierra Nevada zurück, um meinen Weg durch ihre Südflanke fortzusetzen. Den Startpunkt bildete Trevélez, wo sowohl 2018 mein letztes Teilstück auf dem andalusischen GR7 als auch 2019 die EHWS-nähere Variante über die höchsten Sierra-Nevada-Gipfel geendet hatten. Einschliesslich eines Abstechers in das Tal des gleichnamigen Flusses wanderte ich von dort in 15 Tagen rund 270 km nach Osten und dann nach Norden und erreichte in Puebla de Don Fadrique fast die Nordgrenze Andalusiens. Dabei durchstreifte ich bei bestem Wanderwetter einen Teil der östlichen Alpujarra Alta, überquerte die Sierra Nevada und die an diese anschliessende Ebene des Marquesado del Zenete von Süd nach Nord, streifte den Westrand der Sierra de Baza und zog in weiten Schlaufen über den durch Hoya de Baza und Hoya de Huéscar gebildeten Altiplano von Granada.
Andalusien Ost | ||
Abschnitt | EHWS Andalusien, Teil V | |
(Fernwanderprojekt EHWS) | ||
Länge / Dauer | 270 km / 15 Tage | |
Durchgeführt | 28. September - 13. Oktober 2021 | |
Höchster Punkt | 2'138 m: ob Puerto de la Ragua | |
Tiefster Punkt | 640 m: Embalse del Negratín | |
Start | Trevélez | |
Ende | Puebla de Don Fadrique | |
Fernwanderwege | E4 (GR7) | |
Weitere Facts & Figures | ||
Vorige Teilstrecke EHWS |
Nächste Teilstrecke |
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Vorige Teilstrecke GR7 |
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Mit der Ankunft in Puebla de Don Fadrique habe ich den "Sendero andaluz" - also den andalusischen Abschnitt des Europäischen Fernwanderwegs E4 und des hispano-französischen GR7 - abgeschlossen. Nordöstlich von Puebla verlässt dieser Weg nämlich Andalusien und tritt in die Autonome Region Murcia über.
Meine Route ist allerdings einige Male vom GR7 abgewichen:
Ich selbst bin mit Andalusien freilich noch nicht "fertig": Denn mein Forschungsobjekt - die europäische Hauptwasserscheide - berührt Murcia nur kurz und schlägt dann einen Bogen in den nördlichsten Teil Andalusiens zurück. Dort windet sie sich zwischen den Quellen der Flüsse Segura (Mittelmeer) und Guadalquivir (Atlantik) durch die Sierras de Gazorla, Segura und Villas (einem Gebirgskomplex der Präbetischen Kordilleren) hindurch, um Andalusien dann in Richtung Kastilien-La Mancha zu verlassen. Ich werde ihren Schleifen so gut es geht zu folgen versuchen. Aber das wird dann Thema einer nächsten Reise sein.
Unten siehst du, wie ich die Strecke in Etappen unterteilt habe.
Etappe 35 (28. September 2021) |
Trevélez - Fuente Agrilla - Trevélez |
12,4 km / 3h55' |
Etappe 36 (29. September 2021) |
Trevélez - Bérchules |
15,3 km / 5h10' |
Etappe 37 (30. September 2021) |
Bérchules - Yegen |
13,4 km / 4h40' |
Etappe 38 (1. Oktober 2021) |
Yegen - Laroles |
18,2 km / 6h05' |
Etappe 39 (2. Oktober 2021) | Laroles - Puerto de la Ragua | 18,2 km / 6h15' |
Etappe 40 (3. Oktober 2021) | Puerto de la Ragua - La Calahorra | 11,4 km / 3h05' |
Etappe 41 (5. Oktober 2021) | La Calahorra - Gor | 27,4 km / 7h |
Etappe 42 (6. Oktober 2021) |
Gor - Urbanización Torre del Romeral |
11,3 km / 3h |
Etappe 43 (7. Oktober 2021) |
Urbanización Torre del Romeral - Baza |
21,5 km / 5h45' |
Etappe 44 (8. Oktober 2021) |
Baza - Zújar |
13,3 km / 3h40' |
Etappe 45 (9. Oktober 2021) |
Zújar - Benamaurel |
27,2 km / 7h25' |
Etappe 46 (10. Oktober 2021) | Benamaurel - A-92N Salida 67 Pulpite | 21,6 km / 5h15' |
Etappe 47 (11. Oktober 2021) | Cortijo la Pedrosa - Galera | 23,2 km / 6h10' |
Etappe 48 (12. Oktober 2021) | Galera - Huéscar | 9,2 km / 2h15' |
Etappe 49 (13. Oktober 2021) | Huéscar - Puebla de Don Fadrique | 26,6 km / 7h13' |
Projektabschnitt:
Nächste Teilstrecke:
Wie es mir beim Wandern ergangen ist, kannst du in meinem Blog nachlesen. Unten gehts direkt zu den entsprechenden Tagesberichten.
EHWS Andalusien, Etappe 35: Trevélez (Barrio Medio) - Fuente Agrilla - Trevélez (Barrio Bajo)
Über zwei Jahre waren seit der Mulhacén-Besteigung vergangen und sogar drei Jahre seit meiner ersten Ankunft in Trevélez. Nach der pandemiebedingt langen Pause war meine Ungeduld gross, meinen Weg durch die Alpujarra fortzusetzen. So gross, dass ich gleich zwei Mal am gleichen Tag nach Trevélez zurückkehrte: Am frühen Nachmittag mit dem Bus von Granada her und am Abend zu Fuss vom Tal des gleichnamigen Flusses herunter. Diesem stattete ich zwecks Akklimatisation und Aufwärmübung einen Abstecher ab.
EHWS Andalusien, Etappe 36: Trevélez - Bérchules
Dass ich dem GR7 nicht auf seiner weiten Schlaufe ins Guadalfeo-Tal hinunter und durch dieses wieder hinauf folgen würde, stand fest. Als Abkürzung bot sich ein Abschnitt eines regionalen Fernwanderwegs an, der «Vom Meer zum Himmel» heisst. Ich beging ihn in umgekehrter Richtung – denn mit «Himmel» war der Mulhacén gemeint, und von dort kam ich ja eigentlich her (obgleich dies über zwei Jahre zurücklag). Aber auch dieser Weg war mir zu lang und mit unnötigen Talabstiegen zu anstrengend. Am Ende war ich froh, gabs eine Strasse.
EHWS Andalusien, Etappe 37: Bérchules - Yegen
Ab Bérchules wollte ich mich wieder an den GR7 halten. Leicht machte er es mir jedoch nicht: Zuerst liess er sich kaum finden, und dann zwang er mich durch eine kurze, aber grimmige Felspartie hinauf. Danach freilich ging es fast nur noch bergab. Zwei am Hang klebende Dörfer der Gemeinde Alpujarra de la Sierra durchquerte ich im Abwärtsgang, erst zum dritten hiess es wieder aufsteigen. In einem davon war Fiesta: Durch wiederholte Böllerschüsse liess es dies die Welt wissen - nicht umsonst tönte sein Name wie eine Bombe.
EHWS Andalusien, Etappe 38: Yegen - Laroles
Schon etliche Alpujarra-Dörfer hatte ich inzwischen durchstreift. Aber noch nie so viele an einem Tag. Alle bleckten sie in der Sonne am zerfurchten Südhang, und zwar die meisten am Ausgang einer Furche. Deshalb freue man sich niemals zu früh: Glaubt man sie jetzt dann gleich betreten zu können, tut sich garantiert ein zuvor nicht bemerkter «Barranco» (Schlucht) vor den Füssen auf! Und erst nach einem tiefen Bückling - das heisst dem Durchsteigen des Barrancos - oder aber einem weiten Ausholen den Berg hinauf lassen sie dich gnädig bei sich eintreten.
EHWS Andalusien, Etappe 39: Laroles - Puerto de la Ragua
Auf meinem letzten Wandertag in der Alpujarra war ich dem GR7 wieder untreu – zu ausschweifend und zu umständlich war mir sein Verlauf. Stattdessen stieg ich GPS-gestützt entlang einer nahezu kerzengeraden Linie durch Gestrüpp und Brandschneisen zum Dach der Sierra Nevada empor. Dieses lag hier lediglich auf 2000 Metern Höhe und gewährte einer verkehrstauglichen Passstrasse den Durchgang. Dank derselben konnte ich die lange Gebirgsüberquerung in zwei Etappen aufteilen und mich per Taxi zum Ausgangspunkt zurückbringen lassen.
EHWS Andalusien, Etappe 40: Puerto de la Ragua - La Calahorra
Der letzte Abstieg von der Sierra Nevada begann mit Glückshormonen – und endete mit Adrenalinschüben. Welch atemberaubende Weitsicht sich da zunächst auftat! Welch faszinierende Landschaft aus Ebenen und Mittelgebirgen da vor mir im Morgenlicht schimmerte! Aber dann führte mich der Pfad durch ein enges Tal hinab und verlor sich in immer undurchdringbarerem Brombeergestrüpp. Nur mit zerkratzter Haut und Kleidung entkam ich ihm – und ohne die Brille, die es mir vom Kopf gerissen und unauffindbar fortgespickt hatte.
EHWS Andalusien, Etappe 41: La Calahorra - Gor
Beim Gang durch die Ebene des Marquesado del Zenete vermisste ich meine verlorene Alltagsbrille nicht: In der Halbwüste, die an Westernfilme erinnert und solchen auch schon als Drehort gedient hat, war ohnehin die Sonnenbrille angesagt. Denn hier gabs keinen Schatten, der war auch ganz und gar nicht erwünscht: Kilometerweit reihten sich glitzernde, gewölbte Metallbänder aneinander, die nur der Sonne wegen dastanden. Das war Andasol, eines der grössten Solarkraftwerke der Welt. Eine satte Dreiviertelstunde lang ging ich neben ihm her.
EHWS Andalusien, Etappe 42: Gor - Urbanización del Romeral
Die heutige Kurzstrecke war nur eine Übergangsetappe, die der Umgehung des logistischen Problems «Sierra de Baza» diente. Ich versprach mir wenig Genuss von ihr: Es erwarteten mich Asphalt, Gehen entlang der Autobahn, Übernachten an der Autobahn. Aber da sich die Strasse als fast verkehrsfrei erwies, traten bald ihre Vorteile in den Vordergrund: Es gab kein Dornengestrüpp, keine Kratzwunden, keine Rutschgefahr, keine frei laufenden Hunde. Und man kam auf ihr rasch voran.
EHWS Andalusien, Etappe 43: Urbanización Torre del Romeral - Baza
War ich der Sierra de Baza bislang ausgewichen, gabs nun noch eine Art Schnuppertag. Denn in seinem nordwestlichen Zipfel fand ich eine gute Möglichkeit, das Gebirge in einem Tag zu überqueren. Dabei wandert man stundenlang durch wunderschönen Kiefernwald. In seinem Innern wartet dieser mit einem Tourismuskomplex mit Parkplätzen, einem Besucherzentrum, einer Hotelanlage und rollstuhlgängigen Wanderwegen auf. Warten tut er freilich weniger auf Touristen als vielmehr auf Geld und Betreiber.
EHWS Andalusien, Etappe 44: Baza - Zújar
Statt mich von Baza aus zur Durchquerung des Altiplano aufzumachen, wandte ich mich an dessen Rand entlang der markanten Felskuppel des Jabalcón entgegen. Denn so verlief angeblich der GR7, von dem ich mir Orientierung versprach. Doch der entpuppte sich als Witz: Nicht nur war er unmarkiert, er verlor sich auch gänzlich zwischen Äckern und Erosionsschründen. Nach Zújar hinüber fand ich trotzdem. Den Abstieg säumten Felder und Gewächshäuser voller Cherrytomaten, Mandeln, Oliven und allerhand Obst und Gemüse.
EHWS Andalusien, Etappe 45: Zújar - Benamaurel
Fast hätte ich den Jabalcón vollständig umrundet. Zuerst stieg ich in seinem schattigen Nacken zu einem riesigen Stausee hinab. In dessen oberem Abschnitt wartete eine Uferanlage samt Schiffsteg vergeblich auf Wasser. Später folgte ich zu lange dem Kanal, der die Bergflanke umgürtet. Denn ich fand die Abzweigung nicht: Vergeblich hielt ich Ausschau nach dem einen Schild, das laut Wanderführer den Weg in die Ebene hinaus weisen sollte. Jemand musste es abgerissen haben.
EHWS Andalusien, Etappe 46: Benamaurel - Pulpite
Einmal im Altiplano angekommen zeigte sich, dass es sich nicht um ein zusammenhängendes flaches Plateau handelt. Schon hinter Benamaurel taucht man in eine Furche ein, die sich viele Kilometer weit durch die wüstenähnliche Landschaft schlängelt. Ohne das bisschen Vegetation könnte man sich darin auf dem Mond wähnen. Daran hinderten mich allerdings auch die Schüsse, die gelegentlich von den Höhen herab hallten: Da wurden der Mond zum Wilden Westen, die Furche zum Canyon und die Sonntagsjäger zu Indianern.
EHWS Andalusien, Etappe 47: Pulpite (Cortijo de Pedrosa) - Galera
Es war vielleicht meine einsamste Etappe im östlichen Andalusien: Ich startete bei einem alleinstehenden Bauernhof und schritt stundenlang durch menschenleeres Gebiet mit verlassenen Höfen – neben und vor mir eine weite, meist karge Ebene, über mir ein ebenso weiter Himmel. Welch eine Überraschung, als ich mich dann plötzlich in einem üppig bewachsenen Flusstal fand! In diesem versteckte sich zudem eine kleine Stadt, deren Wohnungen sich in die Talhänge hineinbohrten.
EHWS Andalusien, Etappe 48
Gemütlich ging es heute durch das fruchtbare Tal des Río Huéscar sanft aufwärts, schon am Mittag war ich am Ziel. Dass ich an einem Wochentag etlichen Spaziergängern und Joggern begegnete und auf der Plaza von Huéscar auf festlich gekleidete Leute und Militärmusik traf, versetzte mich in Staunen. Was für ein ahnungsloser Tourist war ich doch: Es war Nationalfeiertag, das Land gedachte jenes 12. Oktobers, an dem Kolumbus in Amerika an Land gegangen war! Ein ahnungsloser Tourist freilich auch er (wie wir inzwischen wissen).
EHWS Andalusien, Etappe 49: Huéscar - Puebla de Don Fadrique
Seit Tagen stand sie am Horizont, erhob sich über alle andern Berge um sie herum, schien die ganze Ebene zu überblicken und rückte immer näher. Aber heute, da ich praktisch vor ihren Füssen stand, verbarg sie sich hinter einem viel niedrigeren Bergrücken. Sie liess mich erst eine nicht weniger als 15 km lange Zypressenallee abschreiten und mich dann aus einem steilen bewaldeten Tälchen emporarbeiten, ehe sie sich zu zeigen geruhte. Dann aber tat sie es umso eindrücklicher: La Sagra, Wächterin über den Altiplano.